Kinder des Judas
schwarzes, wolfsähnliches Wesen erklomm den Baum ihr gegenüber und öffnete das Maul, um Feuer gegen die Vampirin zu speien.
»Scylla, rechts von dir«, schrie Viktor ihr zu.
Die aus dem Maul schlagende Flamme traf ins Leere, Scylla hatte sich durch seine Warnung in Sicherheit bringen können.
Die Erleichterung darüber hielt nicht lange: Das Wesen stieß sich vom Stamm ab und kam aus acht Schritt Höhe zu ihm herabgesprungen. Im Flug verwandelte es sich in einen schwarzen menschlichen Umriss.
Viktor hob das Beil und schleuderte es dem Umbra entgegen. Die Klinge traf das Wesen mitten in die weit geöffnete Schnauze, gurgelnd fiel es in den Dreck.
»Ha!« Viktor hielt seinen Dolch stoßbereit und näherte sich dem getöteten Vampir. »Ich habe einen!«, rief er zu Scylla und riss das Beil aus dem hässlichen schwarzen Schädel – da schnellte ein blonder Frauenkopf von hinten an seinen Hals und biss zu.
Die Schmerzen waren unbeschreiblich.
XXII.
Kapitel
8. April 1732
Habsburgisches Territorium (serbisches Gebiet)
S cylla hörte Viktors Ruf und sprang sofort zur Seite, hinunter vom Wagendach.
Die Flammen rasten über sie hinweg und sengten lediglich ihre Haare an.
Sobald ihre Füße den Boden berührten, rollte sie sich über die Schulter ab und schlüpfte unter dem Wagen hindurch, um zu Viktor zu gelangen. Allein würde er gegen diese Gegner keinesfalls bestehen können.
Regen prasselte aus den Gewitterwolken nieder, die sie, so rasch es ihr möglich gewesen war, herbeigerufen hatte. Gegen eine Übermacht wollte sie mehr als nur ihre körperliche Kraft zur Verfügung haben. Und ohne die mächtigen Barone waren die Elevinnen und Eleven leichtere Gegner.
Scylla richtete sich auf und sah, wie der Umbra gegen ihren Liebsten fiel. Viktor strahlte sie an und hob die Hand zum Zeichen, dass es ihm gutging – gleichzeitig fiel ihn eine blonde Frau hinterrücks an. Auch ohne die Bäuerinnentracht, die so gar nicht zum Stil der Judaskinder passte, hätte sie gewusst, wer sich einmischte: Es war Irina! Sie schlang die Arme von hinten um seine Brust und grub die Zähne in seinen Hals.
»Halte durch! Ich komme!«, schrie Scylla und rannte los.
Der junge Deutsche schrie auf und versuchte, die Tenjac abzuschütteln; dadurch vergrößerte er jedoch nur seine Verletzung. Das Blut sickerte ihm über den Hals und durchtränkte das Hemd.
Scylla schnellte herbei und wollte sich auf Irina werfen, als sie von der Seite angesprungen und umgerissen wurde. Ein bösartiger Schmerz jagte durch ihre rechte Hand, und sie sah, dass ihr ein Messer hindurchgestochen worden war.
Sie bekam den Angreifer zu packen und drückte ihn auf die nasse Erde. Der Kleidung nach war es einer der Eleven. Aus den Augenwinkeln sah sie seine nächste Attacke kommen und parierte den heranzuckenden Arm, indem sie ihren Mund weit öffnete und ihn umschloss, dann biss sie mit aller Macht zu. Widerliches Vampirblut sprudelte in sie hinein, sie spuckte es samt dem abgetrennten Arm aus.
Der Eleve ließ von ihr ab und brüllte vor Schmerz, die rechte Hand hielt den Stumpf umfangen und versuchte, die Wunde abzudrücken.
Scylla hechtete an ihm vorbei zu Irina.
Der nächste Umbra kam hinter einem Wagen zum Vorschein und griff sie an. Er duckte sich unter ihrem Dolch weg und schnappte nach dem Arm; klickend schlossen sich die Fänge – und bissen in die Luft.
Scylla trat ihm mit beiden Füßen ins Gesicht, so dass es laut krachte und sich das Schattenantlitz nach innen schob und verformte. Er hob vom Boden ab und wurde drei Schritte nach hinten geschleudert, wo er sich überschlug und schließlich im Gebüsch zum Liegen kam.
Scylla erhielt keine Gelegenheit, Irina von Viktor zu lösen, denn schon rannte eine Elevin in einem efeufarbenen Kleid auf sie zu, die Klinge in der Rechten.
Die junge Vampirin verlangsamte ihre Schritte und baute sich zwischen Scylla und der Tenjac auf. An ihre Seite begab sich der Eleve, der seinen Arm verloren hatte. »Wir haben den Auftrag, der Cognatio die Formel zu bringen«, sprach sie und spielte mit dem Messer. Sie kümmerte sich nicht um Irina und Viktor.
Scylla sah, dass ihr Liebster geschwächt in den Armen der Tenjac lag, der Blutverlust brachte ihn an den Rand einer Ohnmacht.
Irina grinste sie boshaft an.
Nun ist er mein
, formulierte sie tonlos und ließ Viktor auf den Boden fallen; gleich danach machte sie einen Schritt nach hinten und verschwand im Gebüsch.
»Was, wenn ihr sie habt?«
Die Elevin lächelte,
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