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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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stattdessen machen?« Seine Stimme überschlägt sich vor Angst. Endlich schmeckt er seine eigene Medizin, die er so gerne verteilt hat.
    »Meine Gebete wurden in deinem Fall nicht erhört, daher …« Ich belasse es bei der Andeutung.
    Lobitschs rechter Fuß rutscht weg, er sackt zurück in den Schnee. »Ich tue es niemals wieder«, stammelt er.
    »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.« Ich seufze, betrachte seine Züge. Mein Herz wird traurig. Trotz seiner widerlichen Art steht Hendrik Lobitsch mir nahe, und er ist ein lebendiges Wesen. Er hat nicht einmal gefragt, warum ich annehme, dass er von den Toten auferstehen wird. Aber das überhören viele von ihnen in ihren letzten Augenblicken.
    »Was hätte alles Gutes aus dir werden können?«, flüstere ich gedankenverloren. »Stattdessen bist du zum Abschaum herabgesunken, zum Vergewaltiger und Sadisten, der sich an Schwachen austobt.« Meine Linke greift unter den Mantel nach dem Dolch. »Was würde erst aus dir, wenn du dich zum Aeternus wandelst?«
    Ohne dass ich es bemerkt habe, hat seine tastende Hand unter der zarten Schneedecke einen Ast umklammert. Mit einem Aufschrei wirft er sich nach vorne und schlägt damit nach mir. Der Holzprügel trifft mich seitlich am Kopf und zerbricht. Ich rutsche, mehr aus Überraschung als durch die Wucht des Aufschlags, von dem Baumstumpf herunter in den Schnee.
    Lobitsch springt auf die Füße und rennt los, dieses Mal in die andere Richtung. Anscheinend hat ihm meine Elektroschocker-resistenz einen gewissen Respekt eingeflößt, er möchte sich lieber nicht im Nahkampf mit mir messen. Er sollte eingesehen haben, dass er es im Wettlauf ebenso wenig mit mir aufnehmen kann.
    Ich folge den Geräuschen, die er bei seiner Flucht verursacht, und werde dabei schneller und schneller. Durch die Zweige und Äste rückt das beleuchtete Denkmal wieder näher, und ich sehe noch immer vereinzelte Spaziergänger auf den Wegen rund um den kleinen Weiher.
    Fluchend ziehe ich meine Sturmhaube über die Nase und hole Lobitsch ein, als er aus dem Unterholz bricht und auf den Weg stürzt. Er hat den Prügel immer noch, schlägt nach mir.
    Ich versetze ihm einen Tritt, er stürzt rückwärts aufs Eis und schlittert als menschlicher Puck einige Meter über die gefrorene Oberfläche; zwei Passanten schauen in unsere Richtung.
    Dieses Mal gibt es kein Zögern mehr, ich muss schnell handeln. Die Aufmerksamkeit der Umgebung ist geweckt, also geht es nur noch um Geschwindigkeit.
    Ich zwinge den laut um Hilfe schreienden Lobitsch, der mit einer Hand keine echte Gegenwehr zu leisten vermag, nach unten. Den Knüppel lässt er los und versucht stattdessen, mir das Gesicht zu zerkratzen. Es ist das Letzte, was er jemals sehen wird. Die Thermoskanne trifft ihn gegen die Stirn, er verdreht die Augen und wird ohnmächtig.
    Mein Dolch findet den Weg durch das weiche Fleisch des Halses wie von selbst, routiniert und sicher durchtrenne ich die Sehnen und Muskeln, kappe die Wirbel und löse den Kopf vom Rumpf. Jeder Mediziner wäre stolz auf mich, und die Klinge ist so scharf, dass keine gezackten Wundränder entstehen. Kein Säbeln, kein Reißen. Auch wenn er zu Lebzeiten kein netter Mensch gewesen ist, achte ich auch bei ihm darauf, dass er im Sterben nicht leiden muss.
    Das dampfende Blut schießt aus der Wunde. Ich passe auf, nicht davon getroffen zu werden; darin habe ich mehr Erfahrung als jeder Metzger und jeder Arzt. Es sprüht in den hellen Schnee, spült ihn vom Eis und trübt das gefrorene Klar.
    Ich lege den Kopf vorsichtig auf den Bauch des Toten, öffne die Verschlusskappe der Kanne und gieße die zähe Flüssigkeit darüber, verteile sie, lasse dabei Hände und Fingerspitzen nicht aus, damit es keine Anhaltspunkte für den Erkennungsdienst der Polizei gibt. Ein Streichholz genügt, und mein selbstgemachtes Küchennapalm entzündet sich.
    Ich trete zurück und weiß, dass es lange und ausdauernd brennen wird. Die Qualmwolken, die aufsteigen, sind pechschwarz und ätzend.
    »Und so nehme ich Abschied von dir, Hendrik Lobitsch«, sage ich leise und schlage ein Kreuz über dem brennenden Leichnam. »Du kannst mir dankbar sein, dass ich dich vor der Hölle bewahrt habe.« Meine Kehle wird eng, die Beklemmung schnürt sie zu. Wie gerne hätte ich ihn verschont, aber es gab Anzeichen für einen schrecklichen Werdegang.
    Das Napalm brennt sich durchs Eis, zischend und blubbernd bricht der Körper durch die Decke und sinkt auf den Grund. Ein letztes Mal

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