Kinder des Judas
gelegentlich auf Achse ist und deren Frauen er Komplimente macht, weiß etwas von seiner Snuff-Film-Videothek, die er wie einen Schatz hütet.
Niemand würde auf die Idee kommen, dass er seinen Zuchtkaninchen, mit denen er schon so manchen Preis gewonnen hat, am liebsten den Kopf abreißt und sie anschließend roh verzehrt. Oder dass sein Bauch von Narben übersät ist. Sie stammen von den Rasierklingen, mit denen er sich beim Onanieren schneidet, um seine Lust immer weiter zu steigern. Nutten, die das für ihn machen, findet er in Leipzig schon lange nicht mehr.
Vielleicht ist Lobitsch einfach nur so normal wie Tausende andere Menschen, die Tag für Tag eine Maskerade aufrechterhalten. Ich verurteile niemanden für seine sexuellen Vorlieben. Aber wenn dadurch die Leben anderer in Gefahr geraten, kann ich nicht ruhig zusehen. Bereits einmal hat er die Grenze überschritten. Damals konnte ich im letzten Moment eingreifen.
Nun ist es wieder so weit. Hendrik Lobitsch verlässt sein Haus nicht mehr ohne Messer. In den letzten Wochen hat er es zu oft geschliffen, zu oft an Fleischstücken ausprobiert. Es geht nicht mehr lange gut mit ihm.
Ich erhebe mich, streife den Bademantel ab. Meine rote Unterwäsche verschwindet heute unter schwarzen Lederhosen aus Büffelkalb; über die hellbraune, aufwendig bestickte Gucci-Bluse gürte ich ein schwarzes Mieder, darüber ziehe ich den bodenlangen schwarzen Ledermantel, der mir auf den Leib geschneidert worden ist. Dann noch Stiefel, Handschuhe, die schwarze Wollmütze. Ich bin bereit für meinen Ausflug in die Nacht.
Bevor ich mich auf den Weg zu Lobitsch mache, gehe ich in den Keller. Wie jedem anderen Mieter auch steht mir hier ein kleiner Raum zur Verfügung. Manche haben ein Weinlager daraus gemacht, andere trocknen hier ihre Wäsche, wieder andere lassen alte Regale, Sofas und Stühle in diesem dunklen Grab verschwinden.
Mein Kellerabteil ist anders. Niemand sonst hat ein elektronisches Schloss an der Tür angebracht und eine eigene Lüftung installiert. Ich tippe den Zugangscode ein, 42-666-23. Es fiept und klickt gleichzeitig, dann kann ich über die Schwelle in mein kleines Laboratorium treten, an dem jeder Terrorist seine helle Freude hätte. Offiziell ist es mein Fotolabor, inoffiziell meine Gift-, Spreng- und Brandküche. Dabei lagere ich eigentlich nur Dinge, die jeder Deutsche regulär und für wenig Geld im Supermarkt erstehen kann.
Ich nehme eine Edelstahlthermoskanne aus dem Regal, auf dem noch ein Dutzend andere stehen, und fülle sie mit zwei Litern einer sirupartigen Substanz aus einem Kanister; es stinkt, der Geruch ist beißend und löst einen Hustenreiz aus, den ich so lange unterdrücke, bis meine Arbeit beendet ist. Zuschrauben, Kappe drauf und ab in den Mantel damit. Der Kanister ist leer und muss demnächst neu gefüllt werden.
Die meisten Menschen wären erstaunt, wie leicht es ist, aus zwei ganz einfachen Zutaten Napalm herzustellen, das sich mit herkömmlichen Mitteln nicht löschen lässt. Gibt man das Zeugbeispielsweise auf die Motorhaube eines Wagens und steckt es an, brennt es sich durch bis zum Motorblock.
Es ist genau das, was ich heute Nacht brauchen werde. Leider.
Raus aus dem Labor, rauf auf meinen Falken. Er trägt mich schnell wie der Wind durch Leipzigs verschneite Straßen. Im Vorbeirasen sehe ich in einem Schaufenster, dass sich mein Mantel hinter mir bauscht wie eine dunkle Fahne.
An einer roten Ampel schaue ich auf meinen PDA, der mir dank eines Satellitensystems anzeigt, wo sich Lobitsch aufhält. Vor allem ausländische Elektronik-Internetkaufhäuser haben Dinge im Angebot, die der Ausrüstung eines Geheimdienstes nahekommen. Es gibt sogar Shops, die komplette Spionagesysteme vertreiben. Manches habe ich als Bausatz bekommen, weil die Lieferung nur so legal blieb. Im Laufe der Jahre habe ich das nötige Geschick entwickelt, um mir ein nettes Arsenal zusammenzubauen. Mein Bedarf an Peilsendern, die sich unauffällig in Schuhsohlen und Nähten von Kleidungsstücken verstecken lassen, ist groß. Auf diese Weise habe ich die Wohnungen meiner Sorgenkinder bestens kennengelernt. Oft stehe ich an ihren Betten, wenn sie schlafen.
Lobitsch hat sein Haus verlassen und treibt sich am Völkerschlachtdenkmal herum, einem sehr schönen Ort. Die dunklen, angestrahlten Steine und der reine weiße Schnee überall dort, wo er sich auf den Schrägen und geraden Flächen des Monuments halten kann, ergeben einen eindrucksvollen Kontrast.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher