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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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falls der Madman auf den Gedanken kommt, mich festhalten zu wollen. Jemandem ein Ohr abkauen ist zwar eine jugendlich-postmoderne Redensart, dennoch möchte ich sie nicht bei mir in die Tat umgesetzt sehen.
    Es klopft. »Hel?«, fragt Tanja und tritt nach meiner Aufforderung ein. »Es ist so weit, der letzte Vorkampf ist abgeschlossen.« Sie bleibt auf der Schwelle stehen und hält mir die Tür auf.
    Ich tue ihr den Gefallen und drücke mich ohne Not eng an ihr vorbei, eine leichte Ölspur bleibt auf ihrem schwarzen Ledermantel zurück. Für uns beide bedeutet es, dass mein Rauswurfnicht gegen sie gerichtet war und sie keine Schuld trägt. Sie seufzt und lächelt erleichtert. Es versöhnt sie.
    »Wie viele Zuschauer haben wir heute Abend?«
    »Eingeloggt sind vier Komma zwei Millionen Abonnenten, dazu kommen geschätzte zweitausend Hacker, die sich irgendwo dazwischengehängt haben und den Live-Stream an ihre Kollegen weiterleiten.« Tanja streicht über das Öl auf dem Mantel und benetzt sich damit die Unterlippe. »Also kann man davon ausgehen, dass wir zirka achtundfünfzig bis sechzig Millionen Zuschauer haben. International natürlich.«
    »Nicht schlecht, oder?« Ich folge Tanja durch den Gang, höre mein Lied erklingen und lächele. Wieder im Ring.
    »Kann man so sagen.« Im Vorbeigehen wird Tanja ein Zettel mit den neusten Wettquoten gereicht, sie wirft einen Blick darauf und bleibt entgegen ihrer Art stehen, so dass ich kurz vor dem Tunnelausgang beinahe in sie hineinlaufe. »Das gibt es nicht!«, entfährt es ihr aufgebracht.
    »Was?« Ich versuche einen Blick auf den Zettel zu werfen, aber sie faltet ihn zusammen.
    »Nicht so wichtig«, wiegelt sie ab und reicht mir dann die Nachricht nach einem bösen Blick meinerseits doch. »Denk dir nichts dabei, okay?«
    Als ich lese, was Tanja so schockiert hat, verstehe ich es. Jemand hat zehn Million darauf gesetzt, dass ich verliere.
Verliere!
Bei einer Quote von einundzwanzig zu eins könnte das für den Sender unangenehm werden. »Wer traut sich denn, gegen mich zu wetten?«
    Sie zuckt die Achseln. »Das werde ich die Verantwortlichen nach dem Kampf fragen«, erwidert sie düster. Tanja schaut mich an, richtet die Maske, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre. Sie will mich wohl einfach noch einmal berühren, um mir so ihren Beistand zu zeigen. »Sieh es nicht als schlechtes Omen. Du machst Madman fertig.«
    »Sicher tue ich das.« Ich nehme ihre Finger und drücke dem Handrücken einen Kuss auf. Es ist ungerecht, dass ich sie unter meinen Launen leiden lasse. »Lass uns gehen.«
    Sie lächelt glücklich, marschiert vorweg und bringt mich zum Ring.
    Die außergewöhnliche Wette beschäftigt mich. Es kann Zufall sein, dass jemand einen solchen Einsatz wagt und mein Gegner gewechselt wird – aber in diesem Geschäft? Ich bereite mich darauf vor, dass Madman ein paar böse Überraschungen auf Lager haben wird. Sollte der Veranstalter etwas Irreguläres geplant haben, wird er seines Lebens nicht mehr froh werden.
     
    Wie immer ist die Halle ausgebucht, geschätzte eintausend Menschen wurden eingelassen. Und wie immer ist es eine krude Mischung aus niveaulosen Neureichen, betuchten Asozialen und vollkommen Dekadenten, die sich an einem Live-Spektakel erbauen möchten, echtes Blut sehen und riechen wollen. Das namenlose It-Girl ist auch wieder da, mit ihrem alten Orlando-Bloom-Imitat, und dieses Mal trägt ihr glitzerndes Shirt meinen Namen; ich bin froh, wenn sie in Finsternis versinken.
    Meine Augen richten sich auf den Stacheldraht, an dem Haare und Hautfetzen von den vorangegangenen Kämpfen hängen; die Extras sind wie immer im und rund um den Ring verteilt. Ich staune nicht schlecht: Jemand hat die Regeln ein wenig modifiziert, denn ich sehe Nagelmaschinen und Elektrotacker unter den üblichen Hilfsmitteln. Das könnte gefährlicher werden als sonst. Wie bei einem Eishockeymatch sind Plexiglaswände aufgestellt worden, um Verletzungen unter den Besuchern zu verhindern.
    Tanja ist ebenso verwundert wie ich. »Ich gehe sofort los und bringe in Erfahrung, was das zu bedeuten hat«, tobt sie. »Sagen wir den Kampf ab?«
    Das Licht wird gedimmt, bis nur noch der Ring beleuchtet ist.Meine Sixty-Nine Eyes verstummen, stattdessen erklingt etwas, das mich an Cartoonmusik erinnert. Es sind schnelle, heiterschrille Töne, die nach einem überdrehten Kinderlied und weißem, hektischem Kaninchen klingen.
    Ein junger Mann in einer offenen Zwangsjacke kommt

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