Kinder des Judas
die ordentlich und gereinigt auf einer Kleiderstange hängen, und wühlt darin herum. »Wie ich höre, ist er schlimmer als jeder beißwütige Boxer. Halte dich von seinem Mund fern, denn er mag es, seinen Gegnern die Ohren abzureißen. Mit den Zähnen.« Sie hat den glänzenden schwarzen Gummianzug ausgesucht und hält ihn mir fragend hin. Ich lehne ab. »Aber der würde gut passen. Madman trägt nur Weiß«, versucht sie mich zu überreden.
Ich denke nach. »Erst drei Kämpfe in unserer Liga?« Weitere Informationen über ihn gibt es anscheinend nicht, es ist wirklich nur ein einziges Blatt und beinahe sogar ein unbeschriebenes. »Nimmt er Aufputschmittel? Ist da was bekannt?«
»Nein. Kein Pillenfresser wie Monsoon, wenn du das meinst«, gibt Tanja zurück und ist schon wieder auf der Suche nach einem anderen Kostüm. »Angeblich lebt er sehr asketisch und ist auf so einem Mönch-Trip. Erleuchtung durch Schmerzen und Disziplin, dieser Mist.« Sie schwenkt mein Metallkleid. »Das hier, Hel? Es klimpert so schön.«
Wieder verweigere ich mich. »Er wird sehr schnell sein«, überlege ich laut. »Also brauche ich viel Bewegungsfreiheit.« Ich zeige auf das schwarze Lederoberteil, das bis zum Brustansatz reicht und mit dunkelroten Symbolen verziert ist. »Dazu gibst du mir die schwarzen Lederhotpants und die hohen Rangerstiefel.«
Tanja schnalzt mit der Zunge und schließt für drei Sekunden die Augen. »Schlicht, aber so was von sexy.« Gehorsam suchtsie die Teile heraus und legt sie mir hin. »Wenn das den Madman nicht endgültig wahnsinnig macht, hat er es mit dem Mönchtum eindeutig übertrieben.«
Dann beginnt es wieder, unser kleines Ritual. Sie kniet vor mir nieder und hilft mir, aus den Stiefeln zu schlüpfen. Ich weiß, dass es sie erregt, wenn sie nackte Frauenfüße sieht, wenn sie devot sein darf, wenn sie leichte Schläge und Bestrafungen erhält.
Wäre ich lesbisch, hätte ich mich sofort mit Tanja eingelassen. Sie sieht gut aus, ist blitzgescheit und eine furchtbar nette Frau. Da ich es jedoch nicht bin … nicht mehr … was auch immer … Angesichts der wohlgeformten und durch das Mieder stark betonten Brüste der vornübergebeugten Tanja schimmern Erinnerungen auf, die ich nicht gebrauchen kann.
»Danke, ich mache das schon«, werfe ich sie freundlich hinaus.
»Habe ich etwas falsch gemacht?« Sie ist erschreckt und versucht, so etwas Ähnliches wie ein Lächeln zu produzieren, doch sie kann die Enttäuschung darunter nur schwer verbergen. Es ist das erste Mal, dass ich mich allein auf einen Kampf vorbereiten möchte.
»Nein. Mir ist nicht … Ich möchte allein sein.«
Tanja erhebt sich anmutig und versucht, in meinen Augen zu ergründen, was ihr die Ablehnung eingebracht hat. »Wenn du es dir anders überlegst, ich stehe draußen.«
Kaum schließt sich die Tür hinter ihr, frage ich mich, ob es eine gute Idee ist, mit mir und meinen Gedanken allein zu bleiben. Krampfhaft starre ich auf das Bild von Madman, sein Anblick lenkt mich sogar von meinen Erinnerungen ab. Mechanisch ziehe ich mich um, rutsche und hüpfe in die kurzen engen Hosen, streife das straff sitzende Top über und tausche meine Stiefel gegen die hohen Ranger aus.
Die Augen meines Gegners sind eines Verrückten würdig.
Ich weiß nicht genau, weswegen ich meinen Dolch aus dem Gürtelklipp nehme. Es ist ein ungutes Gefühl, ein Ziehen im Nacken.
Ich verstaue die Waffe im hohen Schaft der Rangers, so dass sie vollständig darin verschwindet. Den Stiefel muss ich neu schnüren, der Dolch drückt etwas gegen die Wade, aber mehr auch nicht. Beim Ziehen werde ich aufpassen müssen, dass ich mir nicht das Bein zerschneide.
Mein Accessoire gibt mir Sicherheit, ich werde sofort ruhiger. Plötzlich ist es keine Problem mehr, mich auf den Kampf zu konzentrieren, und ich freue mich, dem Madman den Verstand aus dem Leib zu dreschen. Die Wut, die Wildheit benötigen einen Ausgang, den ich ihr zuweise, sonst suchen sie sich einen eigenen, und dann kann es unangenehm werden. Ich weiß, was das bedeutet.
Ich ziehe eine Maske auf, die mit drei Riemen am Hinterkopf festgeschnallt wird. Sie ist geschnitten wie ein grauer, gemusterter Schmetterling und lässt Nasenrücken sowie den Mund frei, während Wangen, Stirn und die Augenpartie bedeckt sind. Wenn man genauer hinschaut, ergibt das Muster einen stilisierten Totenkopf, der lächelt.
Ein letzter Blick in den Spiegel. Ich fühle mich gut gerüstet. Vorsichtshalber öle ich mich ein,
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