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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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innegehalten habe. Heute gelingt es mir nicht, meine Gedanken zu ordnen, es kommt nichts dabei heraus, was ich gut finde.
    Das Blatt wird zerknüllt und landet im Kamin. Dahin gehört meine ganze Tagesproduktion. Ich muss zur Ruhe kommen, bevor ich weiter an der Geschichte arbeite.
    Ich stehe auf, gehe ins Bad und lasse mir heißes Wasser in die Wanne laufen. Nach einer Portion Badesalz, etwas Öl und einer Hand voll getrockneter Rosenblüten sind die Vorbereitungen abgeschlossen; ich ziehe mich aus und steige hinein.
    Wieder erweist sich meine eigentlich gute Idee als Fehler. Eswill sich einfach keine Entspannung einstellen, mein Verstand arbeitet hier in der Wanne, abgeschirmt von äußeren Eindrücken, noch schneller und an so vielen Dingen gleichzeitig, dass es mich einfach fertigmacht.
     
    Die Zeiger meiner Uhr neben dem Schminkspiegel sagen mir, dass es 22.31 Uhr ist, als ich aus der Wanne steige und mich betrachte.
    Mein Körper ist wieder makellos, unversehrt, wie es scheint. Wassertropfen rinnen über ihn, und ich ziehe ihre Bahnen mit meinen Fingern langsam nach. Die Fingerkuppen streifen leicht über die Haut, den Hals hinab, über die Brüste, die Brustwarzen, die sich in dem schwachen kühlen Luftzug aufrichten, über meinen flachen Bauch. Auf der haarlosen Scham halte ich inne und drehe mich halb, um meinen Rücken zu betrachten.
    In der Tat: makellos.
    In ein paar Stunden wird er von Wunden übersät sein.
    Und dennoch habe ich mich selten so sehr auf ein Duell gefreut. Miss Thunderpussy flog bei aller Schonung schneller aus dem Ring, als mir lieb war, von Befriedigung meinerseits konnte keine Rede sein. Mein neuer Gegner nennt sich Sandy Claws, und ich musste sofort an den wunderschönen Film
Nightmare Before Christmas
denken.
    Mir fällt ein, dass ich letztes Jahr schon den Satan Claus aus dem Ring befördert habe, samt seinem mitgebrachten Knecht Rechtruppig und dem Weihnachtsbengel. Ein Klamauk, damals extra vom Provider angeleiert, um die Debilen vor den Monitoren bei der Stange zu halten. Anscheinend hat das Spektakel einen von den Neuen inspiriert, auf den Zug aufzuspringen.
    Ich trockne mich ab, wische über das Feuermal an meinem Unterarm, von dem ich weiß, dass es mein Brandzeichen ist. Mein Gebieter hat sich mir noch nicht gezeigt, aber er wartetauf den Tag, an dem ich vergehe. Was er mir wohl zu sagen hat?
    Der Gedanke, ihm meine Seele zu opfern, ist beängstigend, auch für mich. Ich bin den Pakt nicht freiwillig eingegangen, es gab keine Verhandlungen und keine Absprachen. Er schenkte mir meine zweite Existenz, aber natürlich werde ich irgendwann dafür bezahlen. Früher wollte ich deswegen unendlich lange leben, um der Rechnung zu entkommen, aber inzwischen sehe ich die Sache anders. Mein Dilemma.
    Ich schlüpfe in rote Unterwäsche, steige in die exklusiven Ledersachen im Wert eines guten Gebrauchtwagens und stopfe meine Sturmhaube in die Manteltasche. Geistig abwesend, steuere ich wenig später die Hayabusa ins Industrieviertel, maskiere mich, nicke Ralf zu und gehe gar nicht auf seine Kommentare ein. Ein äußerst nerviger Zustand, in dem ich mich befinde.
    Erst Tanja, die sich wieder ihrem Militärfetisch hingegeben hat und in einem schwarzen Outfit erscheint, das zwischen SS-Uniform und alter Monarchiejacke liegt, schafft es, mich unmittelbar nach der Begrüßung aus meinem mentalen Labyrinth zu reißen, indem sie sagt: »Sandy Claws hat zurückgezogen.«
    Ich betrachte sie in ihrem enggeschnürten Mieder und registriere geistesabwesend, aber nicht zum ersten Mal, dass sie eine sehr gute Figur hat. »Soso, der Nikolaus hat das Haus verlassen.« Langsam setze ich mich, scheuche alle störenden Bilder aus meinem Verstand oder dränge sie zumindest zur Seite. Durch die Gasse kann ich mich auf Tanja konzentrieren. »Haben wir frei?«
    »Nein, Hel.« Sie reicht mir ein Klemmbrett, auf dem ein Zettel befestigt ist. »Die Produktion hat einen Ersatz organisiert.«
    Ich nehme die Unterlagen entgegen. Auf dem Bild ist ein junger Mann zu sehen, den man zur PR und Show in eine Zwangsjacke gesteckt hat.
    »Madman«, lese ich seinen Kampfnamen laut vor. »Die Daten klingen gefährlich harmlos«, sage ich zu Tanja und zu mir selbst. »Eins dreiundsiebzig groß und nur vierundsechzig Kilo? Reichlich wenig für einen Mann.«
    »Ja. Thai-Boxen in der Bantam-Klasse, danach hat er ein wenig Muskeln zugelegt und ist in den Freefight eingestiegen.« Tanja hat den Kopf zwischen meine Outfits gesteckt,

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