Kinder des Mars
Ohren rauschen. Hitzig erwiderte er: »Mein Vater und Ella sind die einzige Familie, die ich habe.«
»Miss Hayes kommt wieder auf die Beine.«
»Gut.« Erleichtert atmete Jack auf. Das Rauschen nahm ab. »Aber dann...« Seinem Vater konnte nichts zugestoßen sein. George Fuller war der Fels in der Brandung. Nichts konnte ihn aus der Bahn werfen.
Irving blickte betreten zu Boden. »Es tut mir leid.«
Das genügte Jack nicht. Was wollte der Arzt damit sagen? Jack kniff die Augen zusammen und sammelte seine Gedanken. Dann stellte er die Frage, auf die er eine klare Antwort benötigte. »Doktor, was ist mit meinem Vater? Ist er verletzt? Wie schwer? Versuchen Sie nicht, mich zu schonen. Ich will die Wahrheit.«
Irving sah ihn fest an. »Sie haben vielleicht Nerven. Ihr Vater ist tot. Das ist die Wahrheit.«
Jack sagte nichts. Er starrte den Arzt nur an.
»Entschuldigen Sie, aber Sie wollten es ja unbedingt wissen. Ich bedaure, Ihnen keine andere Auskunft geben zu können.«
»Ella...«
»...wird sich erholen, genau wie Sie. Physisch zumindest. Psychisch dagegen...es muss schrecklich sein, solch eine Tragödie zu erleben, noch dazu an Thanksgiving. Ich empfehle Ihnen dringend eine Therapie.«
»Für was?« fragte Jack erstaunt.
»Sie haben einen nahen Angehörigen auf brutale Weise verloren. Erinnern Sie sich nicht?«
Jack erinnerte sich. Sein Vater war angeschossen worden. »Doch. Aber es ist nur eine Verletzung, richtig? Sie müssen doch im Stande sein, die Kugel zu entfernen.«
Irving hob besorgt beide Augenbrauen. »Hören Sie mir gut zu. Der Schuss war tödlich. Als die Polizei eintraf, lebte Ihr Vater bereits nicht mehr. Er kam erst gar nicht ins Krankenhaus. Der Pathologe wird die Kugel entfernen – zur Spurensicherung in einem Mordfall.«
Jack traute seinen Ohren nicht. Betäubt blickte er durch den Arzt hindurch. »Was?«
»Es tut mir wirklich sehr leid, dass Sie es so erfahren müssen.« Irving seufzte. »Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen, das ist alles, was ich weiß. Sobald Sie in der Lage dazu sind, möchte die Polizei mit Ihnen reden. Die können Ihnen dann vielleicht mehr erzählen.«
Er wartete einen Augenblick. Als Jack nichts sagte, fuhr er fort: »Es muss nicht sofort sein. Verarbeiten Sie erst einmal diese furchtbare Nachricht. Lassen Sie sich Zeit.«
Jack reagierte nicht. Er hörte Irving reden, doch der Arzt sprach eine fremde Sprache, deren Laute für Jack keinen Sinn ergaben, während gleichzeitig ein Teil seines Gehirns eine Übersetzung vornahm, deren Inhalt Jack aber nicht gefiel. Also zog er es vor, sie zu ignorieren, und das Verdrängen dieser Informationen kostete im Augenblick all seine Kraft, darum konnte er nicht auch noch mit dem Arzt reden.
Irving sah ihn besorgt an. »O.K., ich gehe jetzt. Schwester Stevens wird gleich nach Ihnen sehen und Ihnen ein Schlafmittel geben. Morgen machen wir dann ein MRT und Röntgenaufnahmen von Ihrem Schädel. Dann sehen wir weiter.« Der große Mann ging mit hängenden Schultern zur Tür.
Jack erwachte aus seiner Starre. »Ich will Ella sehen. Sofort.«
»Sie schläft noch.«
»Ich will sie sehen.«
Irving rollte mit den Augen. »Bleiben Sie, wo Sie sind.«
»Nein, ich...«
»Schwester Stevens wird Sie abholen und Sie in einem Rollstuhl zu Miss Hayes fahren«, sagte Irving mit Nachdruck. »Die Station für Frauen liegt auf einem anderen Stockwerk. Ich will nicht, dass Sie so weit laufen, am Ende kippen Sie um. Solange Sie mein Patient sind, werden Sie sich meinen Anweisungen fügen, haben Sie verstanden?«
Jack antwortete nicht.
»Sie bekommen hier ohnehin eine Sonderbehandlung«, setzte Irving hinzu. »Sie liegen in einem Einzelzimmer, weil Sie reicher Privatpatient sind. Und ich gebe zu, was Ihnen widerfahren ist, ist schrecklich. Darum bin ich nachsichtig. Ich verbringe nicht mit jedem Patienten so viel Zeit. Gott sei Dank diskutieren die meisten nicht. Aber ich bin für die medizinische Versorgung verantwortlich, und Sie werden sich das gefallen lassen. Sonst sehe ich mich gezwungen, Sie ruhig zu stellen. Haben wir uns jetzt verstanden?«
Jack nickte.
»Gut.« Irving ging mit schnellen Schritten. Wenige Minuten später holte Schwester Stevens Jack ab und fuhr ihn zu Ella. Sie lag ebenfalls in einem Einzelzimmer. Jemand hatte einen Blumenstrauß auf ihren Nachttisch gestellt. Jack drehte sich im Rollstuhl um und bedeutete Schwester Stevens, ihn allein zu lassen. Mit einem Seufzer entfernte sie sich und schloss die
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