Kinder des Mars
Platz.
»Warten Sie einen Augenblick. Rühren Sie sich nicht vom Fleck!« wies die Krankenschwester ihn an. Kurz darauf kehrte sie mit Salbe und Verbandsmaterial zurück. »So, jetzt lassen Sie mich mal sehen.«
Gehorsam beugte Jack den Kopf nach vorn. Dabei fiel sein Blick auf das Namensschild über ihrer linken Brust. »Mrs. Stevens?«
»Ja?« Sie trug etwas antiseptische Creme auf die Wunden auf.
Jack verzog bei der Berührung das Gesicht. »Warum haben Sie mich mit Drogen ruhig gestellt, wenn ich nur Platzwunden habe?«
»Wie ich schon sagte, wir wissen noch nicht, ob die Platzwunden alles sind. Das muss ein Arzt klären.«
»Aber...«
»Hören Sie auf zu widersprechen! Seien Sie nicht so störrisch, Mr. Fuller, und fragen Sie mir keine Löcher in den Bauch. Herrje, die Nachtschwester hat mir heute früh schon erzählt, dass Sie nicht einfach sind. Sie haben sich gestern Nacht ganz schön angestellt.« Mrs. Stevens versah die Blessuren mit Mullverbänden. »Darum bekamen Sie Beruhigungsmittel. Und daher rührt wohl auch der Verdacht auf ein Trauma, egal ob physisch oder psychisch. Und jetzt legen Sie sich hin!« Die Hände in die Hüften gestemmt stand sie vor ihm.
Jack gab nach und kroch ins Bett. »Letzte Nacht?«
»Ja.« Sie zog ihm die Hausschuhe aus und deckte ihn zu, als sei er ein kleines Kind.
»Ich kann mich an nichts erinnern.« Widerstrebend ließ Jack sich in die Kissen sinken. »Was ist passiert?«
Schwester Stevens zuckte ratlos mit den Schultern. »Tut mir leid, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich war ja nicht dabei. Aber ich denke, Sie sollten froh sein, sich nicht erinnern zu können. Es war keine angenehme Nacht für die Kollegen.«
Schlagartig setzte Jack sich senkrecht auf. »Was ist mit den anderen?«
»Herrje! Ich habe keine Ahnung. Sorgen Sie sich erst einmal um sich selbst. Legen Sie sich hin und schlafen!« Sie drückte sanft gegen seine Schulter, damit er sich hinlegte.
Jack schob ihre Hand weg. »Ich will mit einem Arzt sprechen. Und mit jemandem, der weiß, was letzte Nacht geschehen ist. Sofort.«
»Geben Sie denn nie Ruhe?«
»Nein!« Versöhnlich setzte er hinzu: »Bitte, Mrs. Stevens. Würden Sie an meiner Stelle nicht auch Antworten wollen?«
Streng sah sie ihn an. Dann gab sie nach. »Fein. Aber glauben Sie mir, Mr. Fuller, Sie schaden nur sich selbst, wenn Sie sich nicht ausruhen.«
»Belehrung zur Kenntnis genommen«, seufzte Jack. Seine Geduld mit ihrer Fürsorge war am Ende.
»Gut, ich hole einen Arzt. Vorausgesetzt Sie versprechen, solange im Bett zu bleiben.«
»In Ordnung«, gab Jack gereizt zurück.
Mit einem warnenden Blick ließ sie ihn allein.
Wenig später betrat ein Mann mittleren Alters Jacks Zimmer. Der diensthabende Stationsarzt hatte graue Haare und trug eine dicke schwarze Hornbrille. Er war sehr groß und schlaksig. Seine Schultern fielen nach vorn in dem vergeblichen Versuch, durch diese leicht gebeugte Haltung über seine Größe hinwegzutäuschen.
»Guten Tag, mein Name ist Irving.« Er reichte Jack eine knochige Hand.
Jack schüttelte sie. »Guten Tag.« Er setzte zu weiteren Worten an, doch der Doktor kam ihm zuvor.
Abwehrend hob Irving die Hände. »Ich will sie erst untersuchen, dann versuche ich Ihre Fragen zu beantworten.« Er hörte Jacks Brust und Rücken ab, kontrollierte Atmung, Puls und Blutdruck. »Hört sich gut an. Folgen sie mit den Augen meinem Finger.«
Jack tat es.
»Schwindel- oder Übelkeitsgefühle?«
»Nein.«
Irving lächelte zufrieden. »Ihrer Genesung scheint nichts im Wege zu stehen. Wir müssen dennoch einige Tests abwarten, also gedulden Sie sich. Die Schwester sagte, Sie wollten uns schon davonlaufen.«
»Was ist mit meinem Vater und meiner Cousine?«
Das Lächeln verschwand aus Irvings Gesicht. »Es tut mir leid. Das ist jetzt schwer für Sie und ich wünschte, jemand anderes könnte es Ihnen beibringen. Aber wie ich hörte, ist ihre Mutter bereits verstorben. Und ihre Cousine ist in keinem Zustand, Ihnen schlechte Neuigkeiten – oder überhaupt welche – zu überbringen.«
Jack holte tief Luft. »Ella? Was ist mit ihr?« Er versuchte, seine Stimme zu kontrollieren, was ihm nicht ganz gelang. Die Frage kam gepresst und zittrig zwischen seinen Zähnen heraus. In Erwartung der Antwort hielt er den Atem an.
»Beruhigen Sie sich«, sagte der Arzt beschwichtigend. »Schön weiter atmen. Mit Ihrer Kopfwunde sollten Sie sich nicht aufregen.«
Jack dachte nicht daran. Er hörte das Blut in seinen
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