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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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sie die Welt da draußen überhaupt wahrnehmen,
dachte Vin, während sie die Arme gekreuzt auf den Tisch legte und dem Tanz zuschaute.
Vielleicht können sie gar nicht über ihre Festungen und ihre Bälle hinaussehen - so wie sie nicht hinter mein Kleid und meine Schminke sehen können.
    Sazed berührte sie an der Schulter. Vin seufzte und nahm eine damenhaftere Haltung ein. Kurz daraufkam das Essen - ein Fest seltsamer Aromen, das sie zutiefst verblüfft hätte, wenn sie nicht in den letzten Monaten oft ähnliche Speisen zu sich genommen hätte. Sazeds Lektionen hatten zwar den Tanz ausgelassen, aber sie waren sehr ausführlich gewesen, was das rechte Betragen bei Tisch anging, wofür Vin jetzt sehr dankbar war. Wie Kelsier gesagt hatte, bestand der Hauptzweck dieses Abends darin, dass sie sich zeigte. Und daher war es wichtig, dass sie einen guten Eindruck hinterließ.
    Sie aß geziert, wie es ihr beigebracht worden war, und das erlaubte ihr, langsam und überaus sorgfältig zu sein. Die Vorstellung, zum Tanz aufgefordert zu werden, gefiel ihr gar nicht. Sie befürchtete, sie könnte wieder in Panik geraten, wenn sie tatsächlich jemand ansprechen sollte. Doch jedes Mahl war irgendwann beendet - insbesondere das einer Frau, die nur kleine Portionen erhielt. Bald legte sie die Gabel auf den geleerten Teller und deutete so an, dass sie fertig war.
    Zwei Minuten später näherte sich der erste Verehrer ihrem Tisch. »Herrin Valette Renoux?«, fragte der junge Mann und verneigte sich leicht. Er trug eine grüne Weste unter seiner langen, dunklen Anzugsjacke. »Ich bin Graf Rian Strohe. Wäret Ihr bereit, mit mir zu tanzen?«
    »Mein Graf«, sagte Vin und senkte sittsam den Blick, »Ihr seid sehr freundlich, aber dies ist mein erster Ball, und alles ist so großartig! Ich fürchte, ich würde vor Nervosität auf der Tanzfläche stolpern. Vielleicht nächstes Mal ...?«
    »Natürlich, meine Herrin«, sagte er, verbeugte sich höflich und zog sich zurück.
    »Gut gemacht, Herrin«, lobte Sazed sie leise. »Euer Akzent war meisterhaft. Auf dem nächsten Ball werdet Ihr natürlich mit ihm tanzen müssen. Doch bis dahin seid Ihr auch in dieser Disziplin ausgebildet.«
    Vin errötete leicht. »Vielleicht nimmt er am nächsten Ball nicht teil.«
    »Vielleicht«, sagte Sazed. »Aber wahrscheinlich ist das nicht. Der junge Adel liebt diese abendlichen Zerstreuungen.«
    »Findet so etwas jeden Abend statt?«
    »Fast jeden Abend«, bestätigte Sazed. »Diese Bälle sind schließlich der Hauptgrund für die jungen Leute, nach Luthadel zu kommen. Wenn man in der Stadt ist und irgendwo ein Ball stattfindet - was immer der Fall ist -, dann nimmt man für gewöhnlich daran teil, vor allem wenn man jung und unverheiratet ist. Man wird von Euch nicht erwarten, dass ihr auf alle Bälle geht, aber zwei oder drei werdet Ihr in der Woche schon besuchen.«
    »Zwei oder drei ...«, sagte Vin. »Da brauche ich mehr Kleider!«
    Sazed lächelte. »Ah, jetzt denkt Ihr schon wie eine Adlige. Wenn Ihr mich entschuldigen wollt, Herrin ...«
    »Dich entschuldigen?«
    »Ich gehe zur Tafel der Diener«, erklärte Sazed. »Ein Diener meines Ranges wird für gewöhnlich entlassen, wenn sein Herr oder seine Herrin das Mahl beendet hat. Ich lasse Euch nicht gern allein, aber im Speisezimmer der Hausangsteilten werden sich die wichtigsten Diener des Hochadels befinden. Es wird dort zu Gesprächen kommen, die ich Meister Kelsier übermitteln muss.«
    »Du lässt mich ganz allein?«
    »Ihr habt Euch bisher sehr gut geschlagen, Herrin«, meinte Sazed. »Ihr habt keine größeren Fehler gemacht - zumindest keine, die nicht jeder Dame unterlaufen würden, die neu bei Hofe ist.«
    »Zum Beispiel?«, fragte Vin neugierig.
    »Darüber werden wir später reden. Bleibt einfach an Eurem Tisch sitzen, nippt an Eurem Wein - Ihr solltet Euch nicht zu oft nachschenken lassen - und wartet auf meine Rückkehr. Falls sich Euch weitere junge Männer nähern sollten, weist sie so zart ab wie den ersten.«
    Vin nickte zögernd.
    »Ich werde in etwa einer Stunde zurückkehren«, versprach Sazed. Er blieb aber stehen, als warte er auf etwas. »Äh, du kannst gehen«, sagte Vin.
    »Vielen Dank, Herrin«, erwiderte er, verneigte sich und zog sich zurück. Ließ sie allein.
    Nicht ganz allein,
dachte sie.
Kelsier ist irgendwo da draußen in der Nacht und beobachtet uns.
Dieser Gedanke tröstete sie, auch wenn sie sich wünschte, sie würde den leeren Platz hinter ihrem Stuhl nicht so

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