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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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sich liebender Geschwister in gewisser Weise wie die allomantischen Wellenlängen war, nach denen sie Ausschau halten sollte - aber noch war ihr das alles so unvertraut, dass sie es nicht begreifen konnte.

»Der größte Held aller Zeiten wird kein Mann sein, sondern eine Kraft. Keine Nation wird ihn für sich beanspruchen, keine Frau ihn halten und kein König ihn töten können. Er wird niemandem gehören, nicht einmal sich selbst.«

Kapitel 21
    K elsier saß schweigend da und las, während sein Boot auf dem Kanal nach Norden fuhr.
Manchmal befürchte ich, dass ich nicht der Held bin, den jeder in mir sieht,
lautete der Text.
    Welchen Beweis haben wir? Die Worte lange verstorbener Männer, die erst jetzt als prophetisch angesehen werden? Selbst wenn wir die Prophezeiungen annehmen, verbinden mich nur zarte Hinweise mit ihr. Ist meine Verteidigung des Sommerberges wirklich »die Last, durch welche der Held sich erweisen wird«? Meine mehreren Ehen könnten mir ein »blutloses Band zu den Königen der Welt« geben, wenn man es von der richtigen Seite betrachtet. Es gibt Dutzende ähnlicher Begriffe, die sich auf Ereignisse in meinem Leben beziehen mögen. Doch es könnte auch alles Zufall sein.
    Die Philosophen versichern mir, dass die Zeit gekommen ist und die Zeichen zusammenpassen. Aber ich frage mich immer noch, ob sie nicht den falschen Mann haben. So viele Menschen sind von mir abhängig. Sie sagen, ich halte die Zukunft der gesamten Welt in den Händen. Was würden sie wohl sagen, wenn sie wüssten, dass ihr Meister - der größte Held aller Zeiten, ihr Retter - an sich selbst zweifelt?
    Vielleicht wären sie gar nicht entsetzt. Und genau das ist es, was mir in gewisser Hinsicht die meisten Sorgen bereitet. Vielleicht zweifeln sie in ihren Herzen ebenfalls - genau wie ich. Sehen sie einen Lügner, wenn sie mich ansehen?
    Raschek scheint das zu glauben. Ich weiß, ich sollte es nicht zulassen, dass ein einfacher Träger mich beunruhigt. Aber er stammt aus Terris, wo die Prophezeiungen ihren Ursprung haben. Wenn jemand einen Betrug erkennen sollte, wäre es dann nicht gerade dieser Mann?
    Trotzdem führe ich meine Reise fort und ziehe zu der Stelle, an der sich den niedergeschriebenen Weissagungen zufolge mein Schicksal erfüllen soll. Während ich gehe, spüre ich Rascheks Blick in meinem Rücken. Seinen eifersüchtigen Blick. Spöttisch. Hasserfüllt.
    Ich befürchte, am Ende wird meine Anmaßung uns alle vernichten.
    Kelsier ließ das Buch sinken. Seine Kajüte erzitterte leicht unter den Anstrengungen der Zugleute draußen. Er war froh, dass Sazed ihn vor der Abreise mit einem Exemplar der bereits übersetzten Teile des Tagebuchs versorgt hatte, das der Oberste Herrscher einmal geführt hatte. Ansonsten gab es während der Fahrt herzlich wenig zu tun.
    Zum Glück war das Tagebuch faszinierend. Faszinierend und unheimlich. Es war verwirrend, die Worte zu lesen, die ursprünglich vom Obersten Herrscher persönlich aufgeschrieben worden waren. Für Kelsier war der Oberste Herrscher weniger ein Mensch als eine ... Kreatur. Eine böse Kraft, die unbedingt vernichtet werden musste.
    Doch der Mensch, der sich in diesem Tagebuch darstellte, war nur allzu sterblich. Er stellte vieles infrage, dachte nach und schien ein Mann von Tiefe und sogar von Charakter zu sein.
    Aber es wäre gut, seinen Berichten nicht allzu viel Vertrauen zu schenken,
dachte Kelsier, während er mit den Fingern über die Seite fuhr.
Die Menschen halten ihre eigenen Handlungen selten für ungerechtfertigt.
    Dennoch wurde Kelsier durch die Geschichte des Obersten Herrschers an die Legenden erinnert, die er gehört hatte - Geschichten, die sich die Skaa zuflüsterten, die von Adligen diskutiert und von den Bewahrern im Gedächtnis behalten wurden. Sie besagten, dass einst, vor der Erhebung, der Oberste Herrscher der größte aller Menschen gewesen war, ein geliebter Führer, ein Mann, dem das Schicksal der gesamten Menschheit anvertraut worden war.
    Unglücklicherweise wusste Kelsier, wie die Geschichte endete. Das Letzte Reich selbst war das Vermächtnis des Tagebuchs. Der Oberste Herrscher hatte die Menschheit nicht gerettet, sondern sie versklavt. Den Bericht aus erster Hand zu lesen und die Selbstzweifel und inneren Kämpfe des Obersten Herrschers zu sehen, machte diese Geschichte nur noch tragischer.
    Kelsier hob das Buch und wollte weiterlesen, doch nun wurde das Boot langsamer. Er warf einen Blick aus dem Fenster seiner Kajüte auf den

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