Kinder Des Nebels
Nebelgeborenen zu sagen, aber ich möchte Euch dennoch darum bitten.«
»Das werde ich sein«, versprach Vin ihm. »Wir treffen uns in einer Stunde auf dem Balkon da drüben.«
»Viel Glück, Herrin«, sagte Sazed.
Schon eilte Vin auf den Balkon zu. Sie huschte um die Ecke und stand bald wieder vor dem steinernen Geländer und den Nebeln dahinter. Vor der wunderbaren, wirbelnden Leere.
Es ist schon viel zu lange her,
dachte sie, griff in ihren Ärmel und zog eine Phiole mit Metallen hervor. Begierig trank sie den Inhalt und nahm einige Münzen in die Hand.
Dann sprang sie freudig auf die Brüstung und stürzte sich in den dunklen Nebel.
Das Zinn verlieh ihrem Blick Weite, während ihr Kleid im Wind erzitterte. Das Weißblech gab ihr Stärke, als sie die Stützmauer zwischen dem Turm und der eigentlichen Festung betrachtete. Der Stahl schenkte ihr Freiheit, als sie eine Münze in die Tiefe und die Finsternis warf.
Sie sprang in die Luft, unter deren Widerstand ihr Gewand flatterte. Es war ihr, als zöge sie einen schweren Stoffballen hinter sich her, doch ihre Allomantie machte sie stark genug dafür. Der Turm, in dem Elant verschwunden war, lag unmittelbar vor ihr; sie brauchte nur auf den Wehrgang zu gelangen, der zwischen ihm und dem Mittelturm verlief. Vin fachte ihren Stahl an, drückte sich ein wenig höher und warf eine weitere Münze in den Nebel hinter ihr. Als sie gegen die Wand schlug, nutzte Vin ihre Kraft, um sich von dem Metall abzustoßen.
Sie traf ein wenig zu tief auf ihr Ziel. Der Stoff ihres Kleides dämpfte den Aufschlag, und es gelang ihr, sich an die Brüstung des Wehrgangs zu klammern. Wenn Vins Kräfte nicht verstärkt gewesen wären, dann hätte sie Schwierigkeiten gehabt, sich hochzuziehen, doch so kletterte sie mühelos auf das Geländer.
Sie kauerte sich in ihrem schwarzen Kleid zusammen und schlich leise über den Wehrgang. Es gab keine Wächter hier, doch der Turm vor ihr hatte an seiner Basis eine erleuchtete kleine Wachstation.
In dieser Richtung kann ich nicht weitergehen,
dachte sie und blickte nach oben. Der Turm schien mehrere Zimmer zu haben, und aus einigen drang Licht. Vin ließ eine Münze fallen und katapultierte sich nach oben, dann zog sie an einem Fensterscharnier und landete leichtfüßig auf dem Sims. Die Läden waren zur Nacht vorgelegt, und sie musste sich eng gegen sie drücken und ihr Zinn stärker verbrennen, wenn sie hören wollte, was drinnen gesprochen wurde.
»... Bälle dauern immer bis tief in die Nacht. Vermutlich müssen wir Doppelwache schieben.«
Soldaten,
dachte Vin. Sie sprang ab und drückte gegen den oberen Teil des Fensters. Es klapperte, als sie den Turm hinaufflog. Sie erreichte den nächsten Fenstersims und zog sich daran hoch.
»... bereue meine Verspätung nicht«, drang eine vertraute Stimme hinaus. Sie gehörte Elant. »Sie ist nun mal zufällig viel anziehender als du, Telden.«
Eine männliche Stimme lachte. »Der mächtige Elant Wager ist von einem hübschen Gesicht gefesselt.«
»An ihr ist mehr als nur das, Jastes«, sagte Elant. »Sie hat ein gutes Herz. Sie hat Skaa-Flüchtlingen auf ihrer Plantage geholfen. Ich bin der Meinung, wir sollten zusammen mit ihr reden.«
»Ausgeschlossen«, erwiderte eine tiefe Stimme. »Es ist mir egal, wenn du über Philosophie reden willst, Elant. Ich trinke sogar mit dir. Aber ich werde es nicht zulassen, dass irgendwelche Leute zu uns stoßen.«
»Ich stimme mit Telden überein«, sagte Jastes. »Fünf Leute sind genug.«
»Ich glaube, ihr seid ungerecht«, wandte Elant ein.
»Elant ...«, meinte eine weitere Stimme aufgebracht.
»In Ordnung«, sagte Elant. »Telden, hast du das Buch gelesen, das ich dir gegeben habe?«
»Ich hab's versucht«, antwortete Telden. »Es ist ein bisschen dick.«
»Aber es ist gut, nicht wahr?«, fragte Elant.
»Ziemlich gut«, gab Telden zu. »Jetzt verstehe ich, warum der Oberste Herrscher es so hasst.«
»Redalevins Werke sind besser«, warf Jastes ein. »Sie sind bündiger.«
»Ich will ja nichts sagen«, meinte eine fünfte Stimme, »aber ist das alles, was wir tun werden? Lesen?«
»Was ist falsch am Lesen?«, fragte Elant. »Es ist ein bisschen langweilig«, meinte die fünfte Stimme.
Ein guter Mann,
dachte Vin.
»Langweilig?«, wunderte sich Elant. »Meine Herren, diese Ideen - diese Worte - sind
alles.
Die Verfasser wussten, dass sie um ihrer Worte wegen hingerichtet würden. Spürt ihr nicht ihre Leidenschaft?«
»Leidenschaft, ja«, sagte
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