Kinder Des Nebels
wie gut kommen deine Besänftiger allein zurecht, falls du für eine Weile weg bist?«
Weher zuckte die Schultern. »Ich bin natürlich der beste von ihnen. Aber ich habe sie alle gut ausgebildet, und sie können ohne mich rekrutieren, besonders jetzt, da die Geschichten über den Überlebenden so weit verbreitet sind.«
»Darüber müssen wir bei Gelegenheit noch einmal reden, Kell«, warf Docksohn ein und runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob mir dieser ganze Mystizismus um dich und das Elfte Metall gefällt.«
»Das besprechen wir später«, stimmte Kelsier ihm zu.
»Warum fragst du nach meinen Männern?«, wollte Weher wissen. »Bist du inzwischen so eifersüchtig auf meinen Sinn für Mode, dass du mich loswerden willst?«
»Das könnte man tatsächlich so sagen«, antwortete Kelsier. »Ich habe nämlich daran gedacht, in ein paar Monaten Yeden durch dich zu ersetzen.«
»Yeden ersetzen?«, wunderte sich Weher. »Du meinst,
ich
soll die Armee führen?«
»Warum nicht?«, entgegnete Kelsier. »Du bist großartig darin, Befehle zu erteilen.«
»Aber nur aus dem Hintergrund, mein Lieber«, wandte Weher ein. »Ich stehe nie an vorderster Front. Dann wäre ich ja ein
General.
Weißt du eigentlich, wie lächerlich das klingt?«
»Denk einmal darüber nach«, schlug Kelsier ihm vor. »Unsere Rekrutierungen sollten dann abgeschlossen sein, und deshalb wirst du für uns am nützlichsten sein, wenn du dich in die Höhlen begibst und Yeden zurückkommt, um hier seine Kontakte zu pflegen.«
»Vermutlich hast du Recht«, meinte Weher und zog die Stirn kraus.
»Wie dem auch sei, ich glaube, ich hatte fast schon genug Wein«, sagte Kelsier, während er aufstand. »Spuki, sei ein guter Junge und hol noch eine Flasche aus dem Keller, ja?«
Der Junge nickte, und das Gespräch wandte sich anderen Themen zu. Vin lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, spürte die Wärme des Kohleofens an der Wand und genoss für den Augenblick einfach das friedliche Gefühl, einmal nicht kämpfen, planen oder sich Sorgen machen zu müssen.
Wenn nur Reen so etwas hätte sehen können,
dachte sie und betastete ihren Ohrring.
Vielleicht wäre es dann anders für ihn gewesen. Für uns.
*
Hamm und Vin brachen am nächsten Tag auf, um die Garnison von Luthadel zu besuchen.
Nach so vielen Monaten als vorgebliche Adlige hatte Vin geglaubt, es würde sich seltsam anfühlen, wieder Straßenkleidung zu tragen. Doch so war es nicht. Zugegeben, es war
anders,
denn sie musste sich keine Gedanken mehr darum machen, ob sie in der richtigen Haltung dasaß oder so ging, dass ihr Kleid nicht über den schmutzigen Boden oder an den Wänden entlangschleifte. Doch ihre Alltagskleidung empfand sie als vollkommen natürlich.
Sie trug eine einfache braune Hose und ein lockeres weißes Hemd, das sie in den Bund gesteckt hatte; darüber hatte sie eine lederne Weste gezogen. Ihr noch immer wachsendes Haar hatte sie unter eine Kappe gezwängt, so dass unaufmerksame Passanten sie für einen Jungen halten konnten. Hamm hingegen war ihr Aussehen offenbar gleichgültig.
Und das war es auch. Vin hatte sich daran gewöhnt, dass die Leute sie anstarrten und abschätzten, aber auf der Straße schenkte ihr niemand Beachtung. Schlurfende Skaa-Arbeiter, gelangweilte kleine Adlige, ja sogar höhergestellte Skaa wie Keuler - niemand nahm sie wahr.
Ich hatte schon fast vergessen, wie es ist, unsichtbar zu sein,
dachte Vin. Zum Glück kehrten ihre alten Verhaltensweisen - den Blick beim Gehen auf den Boden richten, den Leuten ausweichen, eine gebückte Haltung einnehmen, um sich unauffällig zu machen - rasch zurück. Sie wurde so einfach wieder zu Vin, der Straßen-Skaa, wie man sich an eine alte, vertraute Melodie erinnert, die man früher einmal gern gesummt hat.
Das ist wirklich nichts als eine weitere Verkleidung,
dachte Vin, während sie neben Hamm herging.
Meine Schminke ist ein leichter Überzug aus Asche, den ich sorgfältig auf der Haut verteilt habe. Mein Kleid ist eine abgeriebene Hose, die alt und häufig getragen wirkt.
Aber wer war sie in Wirklichkeit? Vin das Straßenkind? Die Dame Valette? Keine von beiden? Kannten ihre Freunde sie tatsächlich? Wusste sie eigentlich selbst, wer sie war?
»Ach, wie ich diesen Ort vermisst habe«, sagte Hamm, der glücklich neben ihr herging. Hamm schien immer glücklich zu sein. Sie konnte sich ihn gar nicht unzufrieden vorstellen, trotz der harschen Worte über seine Zeit als Armeegeneral.
»Es ist schon irgendwie
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