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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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und er hatte nicht einmal bemerkt, wann er seinen Mantel verloren hatte. Trotzig stand er vor den Soldaten; seine vernarbten Unterarme waren deutlich sichtbar.
    »Der Überlebende von Hathsin!«, flüsterte jemand. »Er hat einen Inquisitor umgebracht«, sagte ein anderer.
    Und dann setzte der Gesang ein. Die Skaa in den angrenzenden Straßen riefen seinen Namen. Die Soldaten sahen sich um und erkannten entsetzt, dass sie umzingelt waren Die Einwohner drängten herbei, und Kelsier spürte ihre Wut und Hoffnung.
    Vielleicht muss es nicht so ausgehen, wie ich angenommen habe,
dachte er triumphierend.
Vielleicht muss ich nicht ...
    Dann schlug es zu. Wie eine Wolke, die sich vor die Sonne schiebt, wie ein plötzlicher Sturm in einer stillen Nacht, wie zwei Finger, die eine Kerzenflamme auslöschen. Eine bedrückende Hand erstickte die aufkeimenden Gefühle der Skaa. Die Leute krümmten sich zusammen, und ihre Rufe verstummten. Das Feuer, das Kelsier in ihnen entfacht hatte, war zu unvertraut gewesen.
    So nahe
dachte er.
    Vor ihm kam eine einzelne schwarze Kutsche in Sicht und fuhr die Straße zum Brunnenplatz hinunter. Der Oberste Herrscher war eingetroffen.
    *
    Vin hätte beinahe ihren Griff gelockert, als das Gefühl der Bedrückung sie traf. Sie fachte ihr Kupfer an, aber sie spürte noch immer die niederschmetternde Hand des Obersten Herrschers.
    »Oberster Herrscher!«, rief Docksohn. Vin wusste nicht, ob es ein Fluch oder nur eine Feststellung war. Die Skaa, die sich zusammengedrängt hatten, um dem Kampf zuzusehen, machten nun Platz für den dunklen Wagen. Er rollte durch einen Korridor von Menschen auf den von Leichen übersäten Platz zu.
    Die Soldaten zogen sich zurück, und Kelsier trat ein paar Schritte fort von dem umgestürzten Wagen und stellte sich der heranrollenden Kutsche entgegen.
    »Was tut er da?«, fragte Vin und wandte sich an Docksohn, der sich auf einem schmalen Sims niedergelassen hatte. »Warum läuft er nicht weg? Das da ist kein Inquisitor - es ist niemand, gegen den er kämpfen kann!«
    »Doch, Vin«, entgegnete Docksohn ehrfürchtig. »Darauf hat er die ganze Zeit gewartet: auf die Gelegenheit, dem Obersten Herrscher ins Auge zu sehen und den Legenden zu entsprechen, die sich um seine Person gebildet haben.«
    Vin sah wieder auf den Platz hinunter. Die Kutsche hielt an.
    »Aber ...«, sagte sie leise. »Das Elfte Metall. Hat er es dabei?«
    »Es kann nicht anders sein.«
    Kelsier hatte immer gesagt, dass der Oberste Herrscher
sein
Ziel sei,
dachte Vin. Wir
anderen durften uns mit dem Adel, der Garnison und dem Ministerium abgeben. Aber das hier ... Kelsier hatte von vornherein vorgehabt, es persönlich zu erledigen.
    Der Oberste Herrscher stieg aus der Kutsche. Vin beugte sich vor und verbrannte Zinn. Er sah aus wie ...
    Ein Mensch. Ein Mann.
    Er war in eine schwarze und weiße Uniform gekleidet, die einem Adelsanzug ähnelte, aber sie wirkte viel übertriebener. Der Mantel reichte ihm bis zu den Füßen und schleifte hinter ihm her, während er ein paar Schritte vorwärts machte. Sein Wams war farblos, bestand aus reinem Schwarz, trug allerdings strahlend weiße Abzeichen. Wie Vin bereits gehört hatte, glitzerten an seinen Fingern etliche Ringe - die Symbole seiner Macht.
    Ich bin so viel stärker als ihr,
verkündeten diese Ringe,
und deshalb kann es mir nicht schaden, wenn ich Metall trage.
    Der Oberste Herrscher war hübsch, hatte pechschwarzes Haar und eine blasse Haut. Er war hochgewachsen, dünn und strahlte Zuversicht aus. Und er war jung - viel jünger, als Vin erwartet hatte, sogar jünger als Kelsier. Er schritt quer über den Platz, wich den Leichen aus, und seine Soldaten zwangen die Skaa zurück.
    Plötzlich durchbrach eine kleine Gruppe die Reihe der Soldaten. Sie trugen die zusammengewürfelten Uniformen der Rebellen, und ihr Anführer wirkte vertraut auf Vin. Er war einer von Hamms Schlägern.
    »Für meine Frau!«, rief der Schläger, hob einen Speer und griff an.
    »Für Kelsier!«, brüllten die anderen vier.
O nein,
dachte Vin.
    Doch der Oberste Herrscher beachtete die Männer nicht. Der Rebellenführer brüllte trotzig auf und rammte dem Obersten Herrscher den Speer geradewegs in die Brust.
    Der Oberste Herrscher ging einfach weiter; der Speer ragte aus seinem Rücken heraus.
    Der Rebell hielt inne, nahm einem seiner Gefährten den Speer ab und rammte ihn dem Obersten Herrscher in den Rücken. Erneut ignorierte der Oberste Herrscher die Männer, als ob sie und ihre

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