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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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wirkten wie ...
    Pfeilwunden,
dachte sie schockiert.
Sind sie etwa schon verheilt? Wie kann das sein?
    Sie leistete Widerstand, aber ihr schwacher, weißblechloser Körper vermochte dem starken Inquisitor nichts entgegenzusetzen. Die Kreatur trug sie auf die Tür zu. Der zweite Inquisitor trat zurück und betrachtete sie mithilfe seiner Stahlstacheln, die unter dem Kapuzensaum hervorstachen. Der Inquisitor, der sie festhielt, lächelte, doch der Mund des anderen bildete eine gerade Linie.
    Vin spuckte den zweiten Inquisitor an, als sie an ihm vorbeigetragen wurde. Ihre Spucke traf einen der Augenstäbe. Sie wurde durch einen schmalen Gang getragen, schrie um Hilfe und wusste gleichzeitig, dass ihre Rufe tief im Innern von Krediksheim ungehört verhallten. Aber wenigstens hatte sie den Inquisitor damit verärgert, denn er verdrehte ihr den Arm.
    »Still«, sagte er, während sie vor Schmerz aufstöhnte.
    Vin verstummte und konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Vermutlich befanden sie sich in einem unteren Stockwerk des Palastes; die Korridore waren so lang, dass sie nicht in einem der Türme sein konnten. Die Räume, an denen sie vorbeikamen, waren zwar verschwenderisch ausgestattet, aber sie wirkten unbenutzt. Die Teppiche waren makellos, die Möbel zeigten weder Kratzer noch abgeschabte Stellen. Sie hatte den Eindruck, dass die Wandgemälde auch von denjenigen, die oft diese Zimmer durchschritten, nur selten betrachtet wurden.
    Schließlich kamen die Inquisitoren zu einer Treppe und stiegen sie hinauf.
Einer der Türme,
dachte Vin.
    Mit jeder Stufe spürte sie, wie sie dem Obersten Herrscher näher kam. Seine bloße Gegenwart dämpfte ihre Gefühle, stahl ihr Kraft und Willen und machte sie unempfänglich gegen alles außer dem Gefühl von Einsamkeit und tiefer Niedergeschlagenheit. Sie sackte im Griff des Inquisitors zusammen und kämpfte nicht mehr gegen ihn an. Sie benötigte ihre ganze Energie, nur um dem Druck des Obersten Herrschers zu widerstehen, den dieser gegen ihre Seele ausübte.
    Nach kurzer Zeit in dem tunnelartigen Treppenturm trugen die Inquisitoren sie in einen großen, kreisrunden Raum. Trotz der Macht des Obersten Herrschers und ihrer früheren Besuche in Adelsfestungen sah Vin sich neugierig um. Dieser Ort war beeindruckender als alles, was sie je zuvor gesehen hatte.
    Das Zimmer hatte die Umrisse eines gewaltigen Zylinders. Die Wand - es gab nur eine einzige kreisrunde - bestand vollständig aus Glas. Der Raum wurde durch Feuer jenseits seiner Begrenzung erhellt und strahlte in einem unheimlichen Licht. Das Glas war gefärbt, aber es stellte keine besonderen Szenen dar. Es schien aus einem einzigen Stück zu bestehen, und in ihm flossen die Farben in langen, dünnen Fäden ineinander. Wie ...
    Wie Nebel,
dachte sie verwundert.
Wie farbige Nebelschwaden, die in kreisförmigen Bewegungen den gesamten Raum umwogen.
    Der Oberste Herrscher saß auf einem erhöhten Thron in der Mitte des Raumes. Es war nicht der alte Mann, den sie zuvor gesehen hatte; dies hier war die jüngere Version - der Mann, der Kelsier getötet hatte.
    Ein Betrüger? Nein, ich spüre ihn genau so, wie ich den anderen gespürt habe. Sie sind ein und derselbe Mann. Kann er etwa sein Aussehen verändern? Kann er jung erscheinen, wenn er einen angenehmen Eindruck hinterlassen will?
    Eine kleine Gruppe grau gewandeter Obligatoren mit starken Tätowierungen um die Augen stand ins Gespräch vertieft am anderen Ende des Raumes. Sieben Inquisitoren warteten wie eine Reihe aus Schatten mit eisernen Augen. Wenn sie die beiden mitzählte, die sie hergebracht hatten, waren es neun. Ihr narbengesichtiger Gegner übergab sie einem der anderen, der sie ebenso unentrinnbar festhielt.
    »Bringen wir es hinter uns«, sagte der Oberste Herrscher.
    Ein Obligator trat vor und verneigte sich. Mit einem Schauer des Entsetzens erkannte Vin ihn.
    Hochprälan Tevidian,
dachte sie und betrachtete den kahlköpfigen Mann.
Mein ... Vater.
    »Herr«, sagte Tevidian, »vergebt mir, aber ich verstehe nicht. Wir haben diese Angelegenheit doch bereits besprochen.«
    »Die Inquisitoren sagen, dass sie dem noch etwas hinzuzufügen haben«, meinte der Oberste Herrscher mit müder Stimme.
    Tevidian warf einen Blick auf Vin und runzelte verwirrt die Stirn.
Er weiß nicht, wer ich bin,
dachte sie.
    »Herr«, sagte Tevidian und wandte sich von ihr ab. »Seht doch nur aus Eurem Fenster! Haben wir etwa nichts Besseres zu tun? Die ganze Stadt befindet sich in Aufruhr! Die

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