Kinder Des Nebels
einem überraschten Soldaten ein Messer in den Hals. Härter als erwartet traf sie auf dem Boden auf, doch es gelang ihr, vor dem zweiten Soldaten wegzuhuschen, der fluchend das Schwert in ihre Richtung schwang.
Die Klinge klirrte gegen die Steinwand hinter ihr. Vin wirbelte herum und bohrte einem weiteren Soldaten eines der Foltermesser in den Oberschenkel. Unter Schmerzesschreien taumelte er zurück.
Es sind zu viele,
dachte sie. Es waren mindestens zwei Dutzend. Sie versuchte auf einen dritten Soldaten zuzuspringen, doch ein weiterer schwang seine Lanze und schlug sie gegen Vins Seite.
Sie ächzte auf, ließ das Messer fallen, ging zu Boden. Kein Weißblech stählte sie gegen den Sturz. Hart schlug sie auf den Stein und rollte benommen zur Wand.
Erfolglos versuchte sie sich, aufzurichten. Kaum sah sie, wie Sazed neben ihr zusammenbrach; sein Körper war plötzlich ganz schwach geworden. Er versuchte abermals Kraft zu speichern. Doch es blieb ihm nicht genug Zeit dafür. Die Soldaten würden gleich bei ihm sein.
Wenigstens habe ich es versucht,
dachte sie, als eine weitere Gruppe Soldaten durch den Korridor rechts von ihr heranstürmte.
Wenigstens habe ich ihn nicht allein zurückgelassen. Ich glaube ... ich glaube, das ist es, was Kelsier gemeint hat.
»Valette!«, rief eine vertraute Stimme.
Vin sah entsetzt auf, als Elant mit sechs Soldaten in den Raum stürmte. Elant trug den Anzug eines Adligen, der allerdings ziemlich schlecht saß, und in der Hand hielt er einen Duellstab.
»Elant?«, fragte Vin verblüfft.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte er besorgt und trat auf sie zu. Dann bemerkte er die Soldaten des Ministeriums. Sie schienen etwas verwirrt zu sein, weil sich ein Adliger ihnen in den Weg stellte.
»Ich nehme das Mädchen mit!«, rief Elant. Seine Worte wirkten tapfer, aber er war offensichtlich kein Soldat. Er hatte nur seinen Duellstab als Waffe dabei und besaß keine Rüstung. Fünf der Männer in seiner Begleitung trugen das Rot der Wager; es waren Soldaten aus Elants Festung. Einer jedoch - derjenige, der als Erster in den Raum gestürzt war - steckte in der Uniform der Palastgarde. Vin bemerkte, dass sie ihn irgendwoher kannte. An seiner Uniformjacke fehlte das Abzeichen.
Das ist der Mann von vorhin,
dachte sie verblüfft.
Der Mann, den ich überredet habe, die Seiten zu wechseln.
Offenbar hatte der Soldat des Ministeriums seine Entscheidung getroffen.
Er machte eine knappe Handbewegung, schenkte Elants Befehl keine Beachtung, und die Soldaten umzingelten Elants Truppe.
»Valette, du musst von hier verschwinden«, sagte Elant drängend und hob seinen Duellstab.
»Kommt, Herrin«, forderte Sazed sie auf. Er packte sie an der Seite und half ihr aufzustehen.
»Wir dürfen sie nicht alleinlassen!«, sagte Vin.
»Wir müssen.«
»Aber du bist mir zu Hilfe gekommen. Wir müssen dasselbe für Elant tun!«
Sazed schüttelte den Kopf. »Das war etwas anderes. Ich wusste, dass ich die Möglichkeit hatte, Euch zu retten. Aber hier könnt Ihr nichts mehr tun. Im Mitleid liegt eine große Schönheit, aber Ihr müsst auch lernen, weise zu sein.«
Sie erlaubte es, dass er sie auf die Beine stellte. Elants Soldaten bemühten sich, die Schergen des Ministeriums abzuwehren. Elant stand vor ihnen und war offensichtlich entschlossen, zu kämpfen.
Es muss einen anderen Weg geben!,
dachte Vin verzweifelt.
Es muss ...
Dann sah sie es. Es lag unbeachtet in einer der offenen Truhen, die entlang der Wand standen. Es war ein vertrauter Streifen grauen Tuches, eine einzelne Quaste, die über den Rand der Truhe hing.
Sie machte sich in dem Augenblick von Sazed frei, als die Soldaten mit ihrem Angriff begannen. Elant schrie hinter ihr auf, und die Waffen klirrten gegeneinander.
Vin warf die obersten Kleidungsstücke - ihre alte Hose und ihr Hemd - aus der Truhe. Und dort, auf ihrem Boden, lag Vins Nebelmantel. Sie schloss die Augen und griff in die Seitentasche.
Ihre Finger fanden eine einzelne Glasphiole, die noch fest verkorkt war.
Sie zog die Phiole heraus und drehte sich dem Kampf zu. Die Soldaten des Ministeriums hatten sich ein wenig zurückgezogen. Zwei von ihnen lagen verwundet auf dem Boden. Doch es hatte auch drei von Elants Männern erwischt. Zum Glück verhinderte es die geringe Größe des Raumes, dass Elants Männer vollständig umzingelt werden konnten.
Elant stand schwitzend und mit einer Schnittwunde am Arm da; sein Duellstab war zersplittert. Er ergriff das Schwert des
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