Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
Vom Netzwerk:
andere innere physische Metall?«
    »Probier es selbst aus.«
    Eifrig kam Vin der Aufforderung nach, und plötzlich wurde die Welt um sie herum heller. Nein, das war nicht ganz richtig. Sie konnte besser sehen und hören, aber der Nebel war noch immer da. Er war nur ... durchscheinender. Das schwache Licht um sie herum schien irgendwie kräftiger geworden zu sein.
    Doch es gab noch andere Veränderungen. Sie spürte ihre Kleidung. Sie erkannte, dass sie schon immer in der Lage gewesen war, sie zu fühlen, diese Möglichkeit aber für gewöhnlich nicht wahrgenommen hatte. Doch jetzt spürte sie das Gewebe und wusste genau, wo die Kleidung sie enger umschmiegte und wo sie lockerer saß.
    Sie war hungrig. Auch das hatte sie bisher ignoriert, doch nun erschien ihr der Hunger viel drängender zu sein als vorhin. Ihre Haut fühlte sich feuchter an, und sie roch in der kühlen Luft Schmutz, Abfall und Asche.
    »Zinn schärft deine Sinne«, sagte Kelsier, dessen Stimme plötzlich sehr laut klang. »Und es ist eines der am langsamsten verbrennenden Metalle. Das Zinn in der Phiole reicht für viele Stunden. Die meisten Nebelgeborenen lassen das Zinn brennen, solange sie draußen im Nebel sind. Ich verbrenne meines, seit wir den Laden verlassen haben.«
    Vin nickte. Die Reichhaltigkeit der Empfindungen war beinahe überwältigend. Sie hörte Knirschen und Schlurfen in der Finsternis, und am liebsten wäre sie beiseitegesprungen, denn sie befürchtete, dass sich jemand von hinten an sie heranschlich.
    Es wird einige Zeit dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe.
    »Lass es brennen«, sagte Kelsier, der ihr ein Zeichen gab, neben ihm herzugehen, während er weiter die Straße hinunterlief. »Du musst dich an deine geschärften Sinne gewöhnen. Fache das Feuer in dir nicht die ganze Zeit über an. Es ist nicht nur so, dass deine Vorräte dann sehr schnell zur Neige gehen, sondern das andauernde starke Verbrennen bewirkt ... Seltsames bei den Leuten.«
    »Seltsames?«, fragte Vin.
    »Metalle - vor allem Zinn und Weißblech - strecken deinen Körper. Wenn du die Metalle verbrennst, verstärkst du diese Streckungen. Wenn sie zu lange andauern und zu stark werden, führt das zum Zerreißen.«
    Vin nickte; dieser Gedanke verursachte ihr Unbehagen. Kelsier verstummte, und sie schlenderten weiter nebeneinander her. Vin erforschte ihre neuen Empfindungen und die ungeheuer detailreiche Welt, die ihr das Zinn erschloss. Zuvor war ihr Blick auf einen winzigen Teil der Nacht beschränkt gewesen. Nun aber sah sie die ganze Stadt in den wirbelnden, treibenden Nebel eingehüllt. Sie erkannte die Festungen wie kleine, düstere Berge in der Ferne und bemerkte Lichtflecken in den Fenstern, die wie winzige Löcher in die Nacht gebohrt waren. Und darüber ... sah sie Lichter im Himmel.
    Sie blieb stehen und starrte erstaunt in die Höhe. Sie waren schwach und selbst für Vins geschärfte Augen verschwommen, doch sie konnte sie erkennen. Es waren Tausende. So klein wie die ersterbenden Funken einer vor kurzem ausgelöschten Kerze.
    »Sterne«, erklärte Kelsier und stellte sich neben sie. »Selbst wenn man Zinn zu Hilfe nimmt, kann man sie nicht oft sehen. Es muss eine besonders klare Nacht sein. Früher konnten die Menschen sie jede Nacht sehen - das war zu der Zeit, bevor die Nebel kamen und die Ascheberge Rauch und Ruß in die Luft spuckten.«
    Vin warf ihm einen raschen Blick zu. »Woher weißt du das?«
    Kelsier lächelte. »Der Oberste Herrscher hat versucht, jede Erinnerung an diese Zeiten zu unterdrücken, aber einige haben trotzdem überlebt.« Er drehte sich um und ging weiter. Ihre Frage hatte er damit eigentlich nicht beantwortet. Vin gesellte sich wieder zu ihm. Mit dem Zinn erschienen ihr die Nebel nicht mehr so unheilvoll. Allmählich begriff sie, wie Kelsier mit solcher Selbstsicherheit die Nacht durchwandern konnte.
    »Also gut«, meinte Kelsier schließlich, »wir sollten ein anderes Material ausprobieren.«
    Vin nickte. Sie löschte das Zinn in ihr nicht, sondern wählte ein zusätzliches Metall zum Verbrennen aus. Als sie dies tat, geschah etwas sehr Merkwürdiges. Eine Vielzahl blassblauer Linien sprang unvermittelt aus ihrer Brust und peitschte in den treibenden Nebel hinein. Sie erstarrte, keuchte leise auf und schaute auf ihre Brust. Die meisten Linien waren dünn und erinnerten sie an durchsichtige Bindfäden, aber einige waren durchaus dicker.
    Kelsier kicherte. »Lass dieses Metall und sein Gegenteil fürs Erste in Ruhe. Sie

Weitere Kostenlose Bücher