Kinder Des Nebels
an. »Du kannst mich nicht zum Wohlbehagen zwingen.«
Weher rollte mit den Augen und nahm einen weiteren Schluck.
»Was wolltest du sagen?«, fragte Vin.
»Ermutige ihn bloß nicht, meine Liebe«, warnte Weher sie.
Vin runzelte die Stirn. Sie warf Hamm einen raschen Blick zu und sah, dass er lächelte.
Weher seufzte. »Lasst mich bitte aus dem Spiel. Ich bin nicht in der Stimmung für eine von Hamms geistlosen Debatten.«
»Beachte ihn einfach nicht«, sagte Hamm eifrig und zog seinen Stuhl etwas näher an Vin heran. »Ich habe mich das Folgende gefragt. Tun wir etwas Gutes oder etwas Schlechtes, wenn wir das Letzte Reich stürzen?«
Vin dachte nach und sagte schließlich: »Spielt das eine Rolle?«
Hamm wirkte entsetzt, aber Weher kicherte. »Gute Antwort«, sagte er.
Hamm sah Weher finster an und wandte sich dann wieder an Vin. »Natürlich spielt es eine Rolle.«
»Also gut«, sagte Vin. »Ich glaube, wir tun damit etwas Gutes. Das Letzte Reich unterdrückt die Skaa seit Jahrhunderten.«
»Richtig«, sagte Hamm. »Aber da gibt es ein Problem. Der Oberste Herrscher ist Gott, oder?«
Vin zuckte die Achseln. »Spielt das eine Rolle?«
Hamm sah sie böse an.
Nun war sie es, die mit den Augen rollte. »Also gut. Das Ministerium behauptet, dass er Gott sei.«
»Eigentlich ist der Oberste Herrscher nur ein
Teil
von Gott«, bemerkte Weher. »Er ist der Splitter der Unendlichkeit - weder allwissend noch allgegenwärtig, sondern ein unabhängiger Teil eines Bewusstseins, das einfach nur
da ist.«
Hamm seufzte. »Ich dachte, du wolltest dich an diesem Gespräch nicht beteiligen.«
»Ich will nur dafür sorgen, dass alle die Tatsachen im richtigen Licht sehen«, sagte Weher leichthin.
»Aber Gott ist der Schöpfer aller Dinge, oder?«, meinte Hamm. »Er ist die Kraft, welche die Gesetze des Universums diktiert, und daher ist er die ursprüngliche Quelle aller Moral. Er ist die vollkommene Moral.«
Vin blinzelte.
»Siehst du jetzt das Dilemma?«, fragte Hamm.
»Ich sehe einen Idioten«, murmelte Weher.
»Ich bin verwirrt«, sagte Vin. »Wo liegt das Problem?«
»Wir behaupten, Gutes zu tun«, erklärte Hamm. »Aber der Oberste Herrscher bestimmt
als Gott
das, was gut ist. Da wir uns ihm entgegenstellen, sind wir in Wahrheit also böse. Aber weil er das Falsche tut, ist das Böse in diesem Fall das Gute, oder etwa nicht?«
Vin zog die Stirn kraus.
»Also?«, fragte Hamm.
»Ich glaube, du bist der Grund für meine plötzlichen Kopfschmerzen.«
»Ich habe dich gewarnt«, sagte Weher.
Hamm seufzte. »Glaubst du nicht, dass diese Angelegenheit ein kurzes Nachdenken wert ist?«
»Ich bin mir nicht sicher«, meinte Vin.
»Ich schon«, erwiderte Weher.
Hamm schüttelte den Kopf. »Niemand hier mag kluge, anständige Diskussionen.«
Plötzlich reckte der Skaa-Rebell den Kopf. »Kelsier ist da!«
Hamm hob eine Braue und stand auf. »Ich sollte einen Blick auf die Umgebung werfen. Denk über diese Frage nach, Vin.«
»In Ordnung ...«, versprach sie, als Hamm das Zimmer verließ.
»Hier drüben«, sagte Weher und erhob sich ebenfalls. »Hier sind Gucklöcher in der Wand für uns. Sei lieb und bring mir meinen Stuhl her, ja?«
Weher warf keinen Blick hinter sich, um herauszufinden, ob sie gehorchte. Unsicher hielt sie inne. Während in ihr das Kupfer brannte, konnte er seine Gabe der Besänftigung bei ihr nicht anwenden, aber ... Schließlich seufzte sie und trug beide Stühle hinüber an die andere Seite des Zimmers. Weher schob eine lange, dünne Leiste in der Wand zurück und enthüllte so einen Blick auf den Speisesaal.
An den Tischen hockten etliche schmutzige Skaa; sie trugen braune Arbeitsmäntel oder zerrissene Umhänge. Es waren dunkle Gesellen in geduckter Haltung und mit aschfleckiger Haut. Doch ihre Anwesenheit bei diesem Treffen bedeutete, dass sie zuzuhören bereit waren. Yeden saß an einem Tisch im vorderen Teil des Saales. Er trug seinen üblichen geflickten Arbeitsmantel; während Vins Abwesenheit hatte er sich das Haar kurzschneiden lassen.
Vin hatte einen großen Auftritt von Kelsier erwartet. Doch stattdessen kam er einfach still aus der Küche. Er blieb bei Yedens Tisch stehen, lächelte und sprach kurz mit dem Mann, dann trat er vor die sitzenden Arbeiter.
Vin hatte ihn noch nie in so alltäglicher Kleidung gesehen. Er trug einen braunen Skaa-Mantel und eine lohfarbene Hose, genau wie die meisten seiner Zuhörer. Doch Kelsiers Kleidung war sauber. Kein Ruß fleckte den Stoff,
Weitere Kostenlose Bücher