Kinder des Sturms
mir. Fühlen Sie sich in meiner Nähe wohl genug, um mir zu sagen, was Ihnen durch den Kopf geht?«
Er wartete einen Moment. »Ich hatte ganz vergessen, dass Sie Psychologin sind.«
»Ich habe Psychologie unterrichtet. « Wie zur Entschuldigung hob sie ihre Hände in die Höhe und ließ sie wieder sinken. »Im Verlauf des letzten Jahres habe ich die Angst verloren, zu sagen, was ich denke. Diese Veränderung hat Vor –, aber auch Nachteile. Ich wollte Sie ganz sicher nicht bedrängen.«
»Ich bin hierher gekommen, weil ich Sie etwas fragen, weil ich über etwas mit Ihnen reden möchte. Das haben Sie gemerkt. Statt mich mit Ihrer Frage zu bedrängen, beweisen Sie demnach lediglich ein hohes Maß an Effizienz«, erklärte er nach einem Augenblick. »Was in letzter Zeit anscheinend eines meiner Lieblingswörter ist. Es geht um Gwen und Carrick.«
»Ja?« Sie faltete die Hände und bedachte ihn mit einem Lächeln. »Was ist mit den beiden?«
»Glauben Sie, dass die beiden existieren? Ich meine, existiert haben?«
»Ich weiß, dass sie existieren.« Sie sah den Zweifel in seinen blauen Augen und atmete tief ein. »Sie und ich, wir kommen aus einer völlig anderen Welt. Sie aus New York, ich aus Chicago. Als gebildete, weltgewandte Städter haben wir uns zeit unseres Lebens immer nur für nüchterne Fakten interessiert.«
Er sah, in welche Richtung ihre Erklärung ging, und nickte mit dem Kopf. »Aber jetzt sind wir woanders.«
»Ja, jetzt sind wir woanders. Jetzt sind wir an einem Ort, der sich nicht ständig weiterentwickelt, sondern der ganz einfach existiert. Aus geschichtlichen und geographischen Gründen sind wir mit diesem Ort, der jetzt mein Zuhause ist und
der Sie angezogen hat, damit Sie an ihm einen Ihrer Träume in die Wirklichkeit umsetzen, emotional verbunden. An diesem Ort herrscht ein Verständnis für Dinge, die wir längst vergessen hatten.«
»Die Realität ist unabhängig von dem Ort, an dem man sich befindet.«
»Das habe ich auch einmal gedacht. Falls Sie selbst es jetzt noch denken, weshalb machen Sie sich dann Gedanken über Gwen und Carrick?«
»Ich interessiere mich ganz einfach für sie.«
»Hat sie sich Ihnen gezeigt?«
»Nein.«
»Und wie steht es mit ihm?«
Trotz der deutlichen Erinnerung an die Begegnung mit dem Mann in der Nähe des St. Declan’s-Brunnens zögerte Trevor, ehe er erklärte: »Ich glaube nicht an Feen.«
»Aber anscheinend glaubt Carrick an Sie«, murmelte Jude so leise, dass er sie kaum verstand. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Sie wollte sich erheben, fluchte leise auf, hob jedoch, als Trevor auf die Beine sprang, abwehrend die Hand. »Nein, verdammt, ich bin noch nicht bereit dazu, mich jedes Mal, wenn ich irgendwo sitze und aufstehen möchte, von jemandem auf die Beine zerren zu lassen. Geben Sie mir nur eine Minute Zeit.« Sie streckte den Bauch nach vorn und drückte sich mit beiden Händen von den Sessellehnen ab. »Keine Sorge. Ich brauche nur ein bisschen Zeit. Ich bin einfach nicht mehr ganz so leichtfüßig, wie ich es früher einmal war.«
Als sie den Raum verließ, setzte sich Trevor wieder hin. Er und Finn beäugten einander mit argwöhnischem Interesse. »Ich werde schon nicht das Tafelsilber klauen, also bleiben wir am besten einfach jeder brav an seinem Platz.«
Als hätte er ihn eingeladen, kam Finn durch das Wohnzimmer getrottet und legte beide Vorderpfoten schwungvoll in seinen Schoß.
»Himmel.« Eilig schob Trevor die Pranken aus seiner Leistengegend. »Wirklich gut gezielt. Jetzt weiß ich, warum mein Vater mir nie einen Hund geschenkt hat. Sitz!«
Gehorsam setzte sich Finn auf den Boden und leckte Trevor liebevoll die Hand.
»Wie ich sehe, haben Sie beide sich inzwischen angefreundet.«
Trevor hob den Kopf und unterdrückte mühsam das Bedürfnis, auf seinem Stuhl herumzurutschen, um seine pochenden Genitalien zu beruhigen. »So kann man es sicher auch nennen.«
»Leg dich hin, Finn.« Jude tätschelte dem Hund geistesabwesend den Schädel, ehe sie sich zu Trevors Füßen auf einen Hocker sinken ließ. »Wissen Sie, was das hier ist?« Sie öffnete die Hand und zeigte ihm einen transparenten, vielfarbig glitzernden Stein.
»Auf den ersten Blick würde ich sagen, es ist ein Diamant, angesichts der Größe jedoch gehe ich davon aus, dass es sich um ein Stück sehr hübsch geschliffenen Glases handelt.«
»Es ist ein lupenreiner, achtzehn – bis zwanzigkarätiger Diamant. Das habe ich mit Hilfe eines Buchs und einer Lupe
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