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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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langsam flußaufwärts davonmachte, keuchend, manchmal nicht imstande zu schwimmen, manchmal über Felsen tappend, die ihm weh taten, bis er außer Sicht geriet. Man sah ihm an, daß sein Mut gebrochen war. Vielleicht war er lange vor dem Jüngsten Gericht zum Untergang verurteilt; die Hoffnungslosigkeit mochte in ihm den Wunsch wecken, seine Gebeine zur Ruhe zu legen.
    Vater Petar hielt eine Dankmesse ab, doch mit einem etwas sauren Gesicht. Danach begannen die Lustbarkeiten. Die nächste Wiese füllte sich mit Volk in Feiertagsgewändern, gestickten Westen, weiten Blusen, schwingenden Röcken, die die Knöchel beim Tanz enthüllten. Ein Ochse briet über einem großen Feuer, aus Kesseln dampften über kleineren Kochstellen würzige Düfte, Bier, Met, Wein gurgelten aus Fässern. Dudelsäcke, Flöten, Hörner, Trommeln, einsaitige Fiedeln klangen durch das Stimmengewirr.
    Frei unter den Bauern bewegte sich das Volk von Liri. Iwan Subitsch hatte ihre Gefangenschaft auf eigene Verantwortung aufgehoben. Er sorgte sich nicht, ob sie ihr Wort brechen und fliehen würden. Heute wurde ihnen Freundschaft entgegengebracht, und ihr Morgen war voller Hoffnung. Des Anstands wegen hatte er dafür gesorgt, daß sie bekleidet waren, obwohl dies größtenteils in geliehenen Sachen sein mußte, die alt waren und schlecht paßten. Die Liri-Leute maßen dem wenig Bedeutung bei, dazu waren sie zu glücklich, daß sie wieder zusammen sein durften. Außerdem wurden die Kleider schnell wieder ausgezogen, wenn ein Mann und eine Frau das Dorf verlassen und ein Gebüsch oder eine von Bäumen abgeschirmte Stelle am Flußufer gefunden hatten.
    Wer am lautesten und fröhlichsten feierte, war Vater Tomislav. Er war mit Vanimen hergekommen, nachdem Iwan den Vorschlag des Wassermanns gebilligt hatte, und nur mit Mühe hatte man ihn davon abhalten können, sich der Expedition anzuschließen. Jetzt, als die Männer sich die Hände reichten und rings um einen Kessel den Kolo zu tanzen begannen, feuerte er sie mit lauten Zurufen an: »Hei, hop! Hoch das Bein! Springt wie David vor der Bundeslade!« Und zu hübschen Mädchen, an denen er vorüberwirbelte: »Wartet nur, Kinder, bis wir und ihr eine Reihe bilden!«
    Vanimen und Meiiva hatten sich für die lange Trennung schadlos gehalten. Sie betraten die Wiese, als der Kolo endete. Luka, der Sohn Iwans, drängte sich durch die Menge, um sie zu begrüßen. Er war ein schlanker Bursche, dessen buntes Festtagsgewand nicht mit seinem nachdenklichen Gesicht übereinstimmte. Von Anfang an hatte er sich sehr zu dem Seevolk hingezogen gefühlt, war begierig gewesen, alles über diese Leute zu lernen, war ständig für bessere Behandlung eingetreten. Nach Vanimens Tat bewunderte er die Meerleute sogar.
    »Heil!« rief er durch den Lärm ringsum. »Ihr seht ernst aus. Ihr solltet fröhlich sein. Kann ich euch irgendwie helfen?«
    »Danke, aber ich glaube nicht«, antwortete der Liri-König. »Was ist denn geschehen?«
    »Ich werde es später deinem Vater mitteilen. Jetzt will ich keinen Schatten auf dein Vergnügen werfen.«
    »Nein, ich bitte dich, sag es mir. Vielleicht kann ich etwas tun.«
    »Nun ... « Vanimen faßte einen Entschluß. Meiiva, die noch nicht hrvatskanisch sprechen konnte, wich unauffällig in den Hintergrund zurück. »Nun, wenn du es so haben willst, Luka. Hast du gehört, daß wir am See eine Rousalka getroffen haben?«
    Der junge Mann riß die Augen auf. »Was sagst du da?
    »Eine Rousalka. Der Geist eines Mädchens, das in dem Wasser spukt, wo es ertrunken ist.«
    »Oh.« Luka mußte erst einmal Atem holen. »Die Vilja. Du hast sie gesehen?« Er machte eine Pause. »Nein, ich habe nichts davon gehört. Es ist eine Sache, über die die Männer lieber nicht sprechen.«
    »Ist ›Vilja‹ euer Wort dafür?« fragte Vanimen. »Ich hatte einmal weit weg im Norden mit einer von dieser Art zu tun. Deshalb erkannte ich, was es war. Entsetzen erfaßte mich, und ich floh. Diese Schande nagt in meiner Brust. Dein Vater vertrieb den Geist, doch als ich ihm hinterher zu erklären versuchte, warum der Mut mich verlassen hatte, sagte er, er wolle es lieber nicht hören.«
    Luka nickte. »Ja, er hat seine Gründe. Doch glaube ich, er wird sie dir enthüllen, wenn du ihn darum bittest. Die Sache ist kein Geheimnis – schmerzlich, aber nicht entehrend.«
    »Solch eine ... Vilja ... macht unseren Triumph zu Spott«, sagte Vanimen. »Ich höre, wie die Männer sich an der Vorstellung begeistern, wieder zu

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