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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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weinend. »Ehre sei Gott, Ehre sei Gott!«
    Als er sich endlich wieder auf die Knie erhob, war alles wie zuvor. Die Kerze brannte mit niedrigem Flämmchen, die Kälte stieg hoch, die Sterne über dem Dach wanderten auf Mitternacht zu.
    »Ich danke dir, Andreas«, sagte Tomislav demütig. »Du bist ein wahrer Freund.«
    Nach einer Minute überkam ihn plötzlich der Schreck. »Ich bin Zeuge eines Wunders geworden! Ich!« Er faltete die Hände. »Herr, ich bin es nicht wert.«
    Er beschloß, bis Tagesanbruch im Gebet zu verharren. »Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name ...«
    Am nächsten Morgen, als die Müdigkeit ihn benommen machte, sandte er einen schüchternen Blick auf das Gesicht des Heiligen. »Andreas«, murmelte er, »die Leute sagen so schreckliche Dinge über meine kleine Tochter. Könntest du mir vielleicht noch ein Zeichen geben? Ich weiß, die Geschichten sind nicht wahr. Nada ist da, wo du bist. Es mag sein, daß sie gleich neben dir steht und auf ihren alten Vater hinunterblickt. Wenn die Menschen das nur erkennen würden! Kannst du es ihnen nicht zeigen?«
    Die Statue blieb unbeweglich. Tomislav senkte den Kopf. Blut tröpfelte in seinen Bart. Als der Morgen graute, erhob er sich, verbeugte sich vor dem Altar und ging.
     
    Vanimen und Meiiva gingen die Wagenspur entlang, die durch den Wald führte. Kürzlich war Schnee gefallen, ein oder zwei Zoll, der bald zu Schmutz geschmolzen, aber unter den Bäumen noch rein und weiß war. Streng reckten sich Äste und Zweige vor dem blauen Himmel. Die Luft war ruhig und fast warm.
    »Seine Ehrlichkeit ist über jeden Verdacht erhaben«, sagte der Wassermann. »Doch halb im Schlaf mag er sich vorgestellt haben, es geschehe etwas, von dem er sich so sehr wünschte, es werde geschehen.«
    Meiiva erschauerte, aber nicht vor Kälte. »Oder der Tote, den er anrief, hat ihm einen Streich gespielt.«
    »Nein, ich glaube nicht, daß der Allerhöchste das erlauben würde. Er ist gerecht.«
    Sie warf ihm einen überraschten Blick zu. »Noch nie zuvor hast du so gesprochen.«
    »Keiner von uns hatte die Gewohnheit, über diese Dinge zu sprechen oder nachzudenken. Sie gingen über unser Vermögen hinaus, wie der Gebrauch eines Messers über das Vermögens eines Delphins hinausgeht. Wir kannten nur das blinde Glück, das sich uns zuwenden oder sich von uns abwenden konnte, nur daß am Ende, früher oder später, immer der Tod stand. Gott kümmerte sich nicht um uns ... so nahmen wir an ... und wir hatten nichts mit Ihm zu tun.«
    Nach ein paar weiteren Schritten setzte Vanimen hinzu: »Heute mache ich mir Gedanken darüber.« Er zeigte das gleiche Grinsen wie angesichts einer Bedrohung. »Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, wie?«
    »Bis du wirklich dafür, daß wir dem Feenreich entsagen?« Meiiva zupfte an dem mißfarbenen, kratzenden Gewand, das sie von einer lebenden Welt abschloß. »Wir hatten die Freiheit des Schwanenwegs.«
    »Ich fürchte, Pawel Subitsch hat recht«, antwortete Vanimen mit schwerer Stimme. »Wenn nicht für uns, dann sollten wir der Kinder wegen aufgeben.«
    »Wird ihr Leben den Preis wert sein? Das Geschick der Menschen ist selten glücklich.«
    »Unser Volk kann ganz gut zurechtkommen. Seine Schwimmkünste sind gefragt, man mag uns. Du mußt doch bereits bemerkt haben, wie Meermänner und Menschenmädchen, Meerfrauen und Menschenjünglinge nacheinander zu seufzen beginnen, und die Haushaltsvorstände überlegen, welchen Vorteil eine Heirat mit Personen hat, die über so ausgezeichnete Zukunftsaussichten verfügen.«
    Meiiva nickte. »Das stimmt. Die Nachkommen solcher Verbindungen werden irdischer sein als unsere Art. Die nächste Generation nach ihnen wird ganz zu Menschen geworden sein – und ertrinken können. Im Lauf der Jahrhunderte sind wir von derlei schon Zeugen geworden, nicht wahr? In ein- oder zweihundert Jahren wird das Blut von Liri sich so vermischt haben, daß es verschwunden ist. Das Andenken an Liri ist dann ein Märchen, das kein vernünftiger Mensch mehr glaubt.«
    »Außer im Himmel«, erinnerte er sie.
    Ein Rabe krächzte.
    »Ich wünschte ...« begann er und brach ab.
    »Was, Lieber?« Ihre Hand liebkoste seinen Arm.
    »Ich wünschte, ich täte es, weil ich in Wahrheit bei Gott sein will«, entfuhr es ihm. »Ich sollte nicht als Bettler zu Ihm kommen.«
    »Du,
Vanimen?« flüsterte sie.
    »Aye«, antwortete er. Sie blieben stehen. Sie sah, wie er die Schultern unter dem Bauernmantel straffte.

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