Kinder des Wassermanns
Freude.«
Er umfaßte ihre Mitte. Sie sah ihn unter Tränen an. »Lehre mich, glücklich zu sein«, bat sie.
Er erstarrte, blickte auf sie hinab. Plötzlich ging es ihm auf, daß sie schön anzusehen war mit ihren vollen Formen, dem sanften Gesicht, den glänzenden braunen Augen und dem welligen Haar. Sie hatten sich schon geküßt, aber flüchtig, einfach um freundlich zu sein. Jetzt standen sie nicht mehr unter der Peitsche der Notwendigkeit – sie beide. In kurzen Augenblicken hatte er sich manchmal gefragt, wie es sein würde, wenn er Zeit hätte, immerzu an Eyjan zu denken. Jetzt wußte er es; doch hier war Ingeborg.
»Du bist schön«, sagte er hingerissen.
»Niels, nein.« Sie versuchte zurückzuweichen. Er zog sie an sich. Sie duftete nach Frau, und das machte ihn benommen. Der Kuß wollte nicht aufhören.
»Niels«, flüsterte sie bebend an seiner Brust, »verstehst du, was du suchst?«
»Ja, Ingeborg, Liebling.« Er legte sie auf das Bett.
Später, als sie eng umschlungen ausruhten, sagte sie: »Ich bitte dich um eines, Niels.«
»Alles, was du willst.« Er streichelte ihren glatten Rücken.
»Nenne mich niemals ,Liebste' oder ,Geliebte' oder dergleichen, wie du es eben getan hast.«
Er hob erstaunt seinen Kopf vom Kissen. »Was? Warum nicht?«
»Wir haben nur einander. Gold oder nicht, es wird lange dauern, bis wir Freunde gewonnen haben, denen wir trauen können. Glaub du mir. Dann laß keine Lügen zwischen uns sein.«
»Ich habe dich gern.«
»Und ich dich. Sehr, sehr gern habe ich dich.” Ihre Lippen streiften seine Wange. »Aber du bist zu jung für mich, zu gut ...«
,,Nein.«
»Und Eyjan ist es, nach der du dich sehnst.«
Darauf hatte er keine Antwort.
Sie seufzte. »Für mich ist es Tauno, natürlich«, gestand sie. »Ich fürchte, keiner von uns wird je eine Chance haben. Nun, vielleicht kann ich dein Herz einem sterblichen Mädchen zuführen.«
»Und du?« fragte er durch ihre dichten Locken.
Er fühlte, daß sie die Schultern zuckte. »Ich hin zäh. Außerdem, was auch geschieht, solange wir ehrlich miteinander sind, haben wir uns.«
5
Das Feuer in einem marmornen Kamin erwärmte ein Zimmer, dem braune Vorhänge und ein Perserteppich Weichheit verliehen. Das Glasfenster bot einen – so gut wie gar nicht verzerrten – Ausblick auf einen Innenhof, wo die Blüten längst vergangen waren. Rosen aus einem Solarium-Treibhaus füllten eine Kristallvase, die auf einem Tisch mit Einlegearbeit stand. Bücher waren wohl an die zwanzig vorhanden, sowohl in Griechisch als auch in Latein. Pawel Subitsch, Ban von Hrvatska, war in seinem Herzen mehr ein Mann des Westens als des Ostens.
Hochgewachsen, mit weißem Haar und sauber geschnittenem Bart, in einem seidenen Gewand wirkte er nicht geringer als der König von Liri, obwohl Vanimen, ähnlich gekleidet (ein Geschenk Pawels) ihn an Größe überragte. Beide waren mit solchem Eifer bei der Unterredung, daß sie nicht sitzen bleiben konnten.
»Ja, ich hoffe, Euer Stamm wird in dieser Gegend bleiben«, sagte der Ban gerade. »Vielleicht habe ich es nicht hinreichend klargemacht, wie sehr dies mein Wunsch ist. Mit euren einzigartigen Fähigkeiten werdet ihr als Fischer, Seeleute, Piloten wertvoll sein. Auch braut sich ein neuer Krieg mit Venedig zusammen. Dabei wäre Eure Hilfe unschätzbar.« Er betrachtete den anderen forschend. »Natürlich würde ich derlei Dienste so gut belohnen, wie es in meinen Kräften steht.«
Vanimens Gesicht war finster. »Warum sollten wir uns an einem Streit beteiligen, der nicht der unsere ist?« gab er zurück.
»Er wird der eure sein, denn ihr werdet unsere Landsleute werden.«
»Wirklich? Das ist es nicht, wonach wir auf der Suche waren.«
»Ich weiß. Ihr wolltet ein neues Feenleben beginnen, das mit der sterblichen Menschheit nur wenig zu tun hat. Nun, ihr habt etwas gefunden, das besser ist. Am höchsten stehen die Erlösung, die unsterblichen Seelen und die Vaterschaft Gottes. Doch wendet euch nicht von materiellem Gewinn ab, denn er kann ein Trost für den Geist sein. Zum Beispiel habt Ihr mir in diesen Tagen, die Ihr bei mir zu Besuch weilt, davon erzählt, wie schwer und gefährlich das Leben im Meer war, wie oft ihr Angehörige verloren habt. Wollt Ihr Euren Leuten – Euren Kindern – die Befreiung von den Haien vorenthalten?«
Der Wassermann schritt auf und ab im Raum, die Hände auf dem Rücken verschlungen. »Wir möchten gern Eure Freunde sein«, erklärte er. »Gewährt uns eine
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