Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
unverzagt.
    „Wir sind keine Sterblichen“, erklärte Eyjan. Dies Eingeständnis rief stets weniger Entsetzen hervor, wenn es von ihren weich geschwungenen Lippen kam. „Doch wir können den Namen Jesu Christi ebenso aussprechen wie ihr, und wir wollen nichts Böses. Vielleicht können wir euch als Dank für einen kleinen Gefallen, den ihr uns, wie wir hoffen, tun werdet, sogar helfen.“
    Der Mann holte laut Atem, ließ seine Waffe sinken und trat vor. Er war so mager wie seine Hunde und nie kräftig gewesen, aber seine Hände waren groß und stark. Auch sein Gesicht war dünn, die Wangen, die gerade Nase, der fest geschlossene Mund, das Pflugscharkinn. Er hatte blaßblaue Augen, graues Haar und einen gestutzten grauen Bart. Unter einem langen, einfachen Wollmantel, dessen Kapuze er zurückgeworfen hatte, sahen Strümpfe und Seehundsschuhe hervor; nichts davon roch gut. Ein Schwert, mit dem er sich gegürtet haben mußte, als er den Lärm hörte, hing von seiner Mitte. Seiner Form nach zu schließen, war es für einen Wikinger geschmiedet worden. Waren die Leute hier tatsächlich so hinter der Zeit zurückgeblieben, oder konnten sie sich nichts Neues leisten?
    „Wollt ihr uns auch eure Namen und den eures Stammes nennen?“ befahl er mehr, als er bat. Herausfordernd: „Ich bin Haakon Arnors-sohn, und dies ist meine Heimstätte Ulfsgaard.“
    „Das wissen wir“, antwortete Eyjan, „weil wir gefragt haben, wer der wichtigste Mann in dieser Gegend sei.“ Mit fast den gleichen Worten wie gegenüber seiner Tochter berichtete sie von ihrer Suche bis zum gestrigen Tag – nur daß sie behauptete, Liri sei unfruchtbar geworden, und verschwieg, daß der Grund für ihre Flucht ein Exorzismus gewesen war. Inzwischen hatten die Männer des Haushalts soviel Mut gefaßt, daß sie näher schlurften, und die Frauen und Kinder, daß sie den Eingang blockierten. Die meisten waren jünger als Haakon und durch lebenslange Unterernährung klein gewachsen. Einige wackelten auf krummen Beinen oder in Schmerzen durch Rheumatismus und Knochendeformierungen einher. Die Nacht ließ sie in ihren geflickten Kleidern erschauern. Ein Gestank quoll aus dem Haus hervor, den der beißende Rauch nicht ganz überdecken konnte: die Ausdünstung niemals gebadeter Körper, die auf engstem Raum zusammengedrängt leben müssen.
    „Könnt ihr uns irgend etwas berichten?“ schloß Eyjan. „Wir werden dafür bezahlen … nicht mit Gold von diesen unseren Ringen, es sei denn, ihr wünscht es, sondern mit mehr Fisch und Seewild, als ihr selbst fangen könnt.“
    Haakon dachte nach. Der Wind jammerte, die Leute flüsterten und machten Zeichen in die Luft, die nicht alle das Kreuz darstellten. Endlich hob er den Kopf und fuhr die Geschwister an: „Wo habt ihr von mir erfahren? Von den Skraelingen, wie?“
    „Von den was?“
    „Von den Skraelingen. Unseren häßlichen, kleinen Heiden, die in den letzten hundert Jahren vom Westen her nach Grönland eingesik-kert sind.“ Er schnaubte: „Sie kamen zusammen mit frostigen Sommern, verdorbenen Feldern. Ich glaube, daß nicht Gottes Fluch auf uns liegt; ihre Zauberer haben das Unglück über uns gebracht!“
    Tauno spannte sich im Körper wie im Geist an. „Aye“, antwortete er. „Wir haben eine Gruppe von ihnen getroffen, und deine Tochter Bengta, Haakon. Willst du dein Wissen gegen Neuigkeiten von ihrem Befinden verkaufen?“
    Ein Schrei gellte auf. Haakon zeigte die Zähne in seinem Bart und sog zwischen ihnen die Luft ein. Dann stampfte er den Speerschaft auf die Erde und röhrte: „Genug! Seid still, ihr Hunde!“ Als wieder Ruhe eingetreten war, sagte er leiste: „Kommt mit hinein, und wir werden miteinander sprechen.“
    Eyjan zupfte Tauno am Ellenbogen. „Sollen wir?“ fragte sie in der Meersprache. „Draußen können wir einem Überfall entkommen. Zwischen Wänden sitzen wir in der Falle.“
    „Ein unvermeidliches Risiko“, entschied ihr Bruder. Zu Haakon gewandt: „Forderst du uns auf, deine Gäste zu sein? Werden wir dir heilig sein, solange wir unter deinem Dach weilen?“
    Haakon schlug das Kreuz. „Bei Gott und St. Olaf schwöre ich es euch, wenn ihr eure eigene Harmlosigkeit bezeugt.“
    „Das tun wir, auf unsere Ehre“, antworteten sie, die einem Eid ähnlichste Formel, die das Feenvolk kannte. Sie hatten die Erfahrung gemacht, daß Christen es als Hohn auffaßten, wenn seelenlose Wesen wie sie das Heilige anriefen.
    Haakon führte sie über die Schwelle. Eyjan erstickte

Weitere Kostenlose Bücher