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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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beinahe, als der Gestank sie mit voller Wucht traf, und Tauno zog die Nase kraus. Die Inuit waren nicht reinlich, aber die Gerüche in ihren Wohnquartieren zeugten von Gesundheit und Überfluß. Hier dagegen …
    In einer Kuhle des Lehmbodens brannte ein klägliches Torffeuer. Es spendete das einzige Licht, bis Haakon befahl, ein paar Seifenstein-lampen mit Tran zu füllen und anzuzünden. Danach wurde seine Armut deutlich. Das Haus verfügte nur über einen einzigen Raum. Die Bewohner hatten schlafen gehen wollen; Strohsäcke waren auf den Bänken ausgebreitet, die die Wände umgaben, in dem Alkovenbett, das dem Herrn des Hauses gehören mußte, und auf dem Boden für die Niedrigen. Die Gesamtzahl war etwa dreißig. So mußten sie liegen und sich ihr gegenseitiges Schnarchen anhören, wenn das hastige Liebesspiel des einen oder anderen Paares, das noch Kraft dazu hatte, vorbei war. Am Ende des Raums war eine Art Küche errichtet. Geräuchertes Fleisch und Stockfisch hingen von den Dachbalken, dazwischen war Flachbrot auf Stangen aufgespießt, und der Vorräte waren es erschrekkend wenige angesichts dessen, daß der Wind bald den Winter heranblasen würde.
    Und dennoch war es ihren Vorfahren gar nicht so schlecht gegangen. Da gab es einen Hochsitz für den Herrn und die Herrin, reich geschnitzt, auch wenn die Farbe abgeblättert war, der zweifellos aus Norwegen stammte. Darüber schimmerte ein Kruzifix aus vergoldeter Bronze. Kunstvoll gearbeitete Zederntruhen standen herum. So verfault und rußig die Wandbehänge auch waren, sie mußten einmal schön gewesen sein. Die Waffen und Werkzeuge, die zwischen ihnen hingen, waren immer noch erfreulich anzusehen. Von allem war mehr vorhanden, als diese paar Bewohner benutzen konnten. Tauno flüsterte Eyjan zu: „Ich vermute, die Familie und das Gesinde haben früher in einem besseren Haus gelebt, in einer richtigen Halle, sind aber ausgezogen, als sie für eine Handvoll Menschen zu schwer zu heizen war, und haben diese Hütte gebaut.“
    Sie nickte. „Aye. Sie hätten die Lampen heute abend nicht in Gebrauch genommen, wären wir nicht da. Ich glaube, sie bewahren das Fett für die Hungersnot auf, die sie erwarten.“ Sie erschauerte. „Huh, ein lichtloser Grönlandwinter! Mehr Leben hatte das ertrunkene Averorn.“
    Haakon nahm den Hochsitz ein, und in einer Art, die anderswo längst aus der Mode gekommen war, winkte er seinen Besuchern, sich auf die Bank ihm gegenüber zu setzen. Er befahl, Bier zu bringen. Es war schwach und sauer, kam jedoch in silbernen Bechern. Er erklärte, er sei Witwer. (Aus ihrem Benehmen ihm gegenüber schlossen sie, daß eine schlampige Frau mit dickem Bauch ein Kind von ihm trug.) Drei Söhne und eine Tochter waren noch am Leben – so glaubte er; der älteste Junge hatte auf einem Schiff angeheuert, das nach Oslo fahren wollte, und er hatte seit Jahren nichts mehr von ihm gehört. Der zweite war verheiratet und auf einem kleinen Bauernhof. Der dritte, Jonas mit Namen, war noch hier, ein drahtiger, spitznasiger Jüngling mit glattem, hellem Haar, der Tauno mit der Wachsamkeit eines Fuchses und Eyjan mit schlecht verhehlter Lüsternheit beobachtete. Die übrigen waren arme Verwandte und Mietlinge, die für Unterkunft und Essen arbeiteten.
    „Was meine Tochter betrifft …“
    Unruhe kam auf; unter den dicken, unruhigen Schatten wurde gemurmelt. Augen schimmerten weiß, Angst konnte durch den Rauch gerochen und gefühlt werden. Haakons Stimme, die fest geklungen hatte, bellte auf: „Was könnt ihr von ihr berichten?“
    „Was kannst du vom Seevolk berichten?“ fragte Tauno zurück.
    Der Norweger versuchte, listig zu sein. „Etwas … vielleicht.“
    Im trüben Licht wurde gejapst und gehustet. „Das bezweifle ich“, flüsterte Eyjan ihrem Bruder ins Ohr. „Ich glaube, er lügt.“
    „Ich fürchte, du hast recht“, antwortete er ebenso leise. „Aber gehen wir auf sein Spiel ein. Hier liegt ein Geheimnis.“
    Laut sagte er: „Wir trafen sie auf See, nicht weit von hier, zwischen Inuit … Skraelingen, nennt ihr sie nicht so? Sie und ihr kleines Kind sahen gut aus.“ Sie sahen besser aus als alle hier Versammelten, dachte er. Wahrscheinlich hatte Haakon dafür gesorgt, daß sie ausreichend zu essen bekam, als sie heranwuchs, weil er wollte, daß sie ihm starke Enkel schenkte, oder weil er sie liebte. „Doch ich warne dich, es wird dir nicht gefallen, was sie uns aufgetragen hat. Halte dir vor Augen, daß wir nichts dafür konnten. Wir

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