Kinder des Wassermanns
um Eisen und Leinen und solche Waren gegen unsere Häute, Felle, Eiderdaunen, Walknochen, Walroßelfenbein, Narwal-Stoßzähne einzutauschen …“
Tauno konnte ein Grinsen nicht ganz unterdrücken. Er hatte schon gesehen, daß Narwal-Stoßzähne in Europa als Horn des Einhorns verkauft wurden.
Haakon runzelte die Stirn, fuhr aber fort: „Wir Grönländer waren nie reich, aber es ging uns gut, unsere Anzahl wuchs, bis die Landhungrigen weiter nordwärts zogen und diese dritte unserer Siedlungen gründeten. Aber dann verschlechterte sich das Wetter, langsam zuerst, dann immer schneller … Sommerkälte und Herbsthagel ließen uns kaum noch etwas von unserer Ernte übrig; Stürme, Nebel und Eisberge gab es auf See. Weniger und weniger Schiffe kamen an, der Gefahr und der Aufstände zu Hause wegen. Jetzt können Jahre zwischen der einen und der nächsten Lieferung von draußen vergehen. Ohne das, was wir zum Leben und zur Arbeit brauchen und hier nicht selbst erzeugen können, werden wir ärmer, rückständiger, weniger wettbewerbsfähig. Und … die Skraelinge rücken heran.“
„Sie sind doch aber friedlich, nicht wahr?“ fragte Eyjan leise.
Haakon spuckte einen Fluch aus, Jonas spuckte auf den Fußboden. „Sie sind schlau wie Trolle“, grollte der ältere Mann. „Durch ihre Zauberkünste können sie leben, wo Christen es nicht können, aber es bringt Gottes Zorn auf Grönland herab.“
„Wie kann ein Mädchen, so schön wie du, von einer so abscheulichen Brut Gutes sprechen?“ setzte Jonas hinzu. Er sandte ein Lächeln in Eyjans Richtung.
Haakon fuhr mit der Hand durch die Luft. „Was mein Haus betrifft“, sagte er, „so ist die Geschichte schnell erzählt. Etwa zwanzig Jahre lang hat eine Bande von Skraelingen nicht weit nördlich von Ve-stri Bygd ihr Lager gehabt, gejagt und gefischt. Sie kamen, um mit uns zu handeln, und manchmal besuchten Norweger sie auch dort. Ich hielt das nicht für gut, hatte aber keine Möglichkeit, es zu verbieten, wenn sie uns anboten, was wir brauchten. Doch sie verlockten unser Volk zur Sünde – vor allem unsere jungen Männer, denn ihre Frauen kennen keine Scham, spreizen die Beine für jeden, und das mit Wissen und Zustimmung ihrer Ehemänner … und mehrere Jünglinge suchten auch, die Skraeling-Tricks bei der Jagd zu lernen, ebenso Skraeling-Künste wie das Bauen von Schneehütten und das Abrichten von Hunden zum Schlittenziehen …“
Schmerz klang in seiner Stimme mit. „Vor vier Jahren verheiratete ich meine Tochter mit Sven Egilsson. Er war ein netter Bursche, und sie … lebten glücklich miteinander, nehme ich an, auch wenn sein Besitz nicht groß war. Der Hof lag ganz am Rand der Siedlung, näher bei den Skraelingen als bei den Höfen von Christenmenschen, eine oder zwei Familien ausgenommen. Sie hatten zwei Kinder, die am Leben blieben, einen Jungen und ein Mädchen, und einen Knecht, der ihnen bei der Arbeit half.
Im letzten Sommer traf uns wirkliche Not. Die Heuernte mißriet, wir mußten den größten Teil unseres Viehbestands schlachten, und trotzdem wären wir verhungert, hätten wir uns nicht aus dem Meer ernähren können. Ein entsetzlicher Winter folgte. Als ein Schneesturm tagelang gewütet hatte – nein, über eine nicht festzustellende Zeit der fast sonnenlosen Nacht, aus der hier der Winter besteht –, konnte ich nicht anders, als mit einigen Männern nach Norden zu ziehen, um nachzusehen, wie es meiner Bengta ging. Wir fanden Sven, meinen Enkel Dag und den Knecht tot unter notdürftig aufgeschichteten Steinhügeln, denn die Erde war zu hart gefroren, als daß man ein Grab hätte ausheben können. Bengta und die kleine Hallfrid waren … verschwunden. Es war überhaupt kein Heizmaterial mehr da. Spuren – Schlittenkufen, Hundekot – verrieten, daß ein Skraeling dagewesen war und sie mitgenommen hatte.
Wahnsinnig vor Kummer und Zorn führte ich meine Männer zu den Steinhütten, wo diese Geschöpfe im Winter hausen. Die meisten von ihnen waren fort, jagten, trieben sich herum, was weiß ich. Auch Bengta war nicht da. Diejenigen, die wir antrafen, behaupteten, sie sei aus freien Stücken gekommen, habe ihr Kind lebend mitgebracht – sie sei mit einem ihrer Männer gekommen, sei zu ihm auf seine schmutzige Lagerstatt gekommen, obwohl er bereits eine Gefährtin hatte … Wir schlachteten sie ab. Eine einzige Alte ließen wir übrig, damit sie die Nachricht weitergeben konnte, im Frühling würden wir den Rest wie das Ungeziefer, das sie
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