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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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sind, vernichten, gäben sie unsere gestohlenen Mädchen nicht zurück.“
    Die Schatten wuchsen, als das Feuer niederbrannte. Feuchte Kälte biß und biß. Eyjan fragte entsetzt in Haakons mühsames Schnaufen hinein: „Ist dir niemals der Gedanke gekommen, daß sie vielleicht die Wahrheit gesprochen haben? Es gab doch keine Spuren von Gewalttätigkeit an den Toten? Ich würde sagen, Hunger und Kälte, als die Vorräte zu Ende waren, brachten sie um, oder eine Krankheit, wie ihr sie selbst über euch bringt, weil ihr im Schmutz lebt. Dann kam Minik – der Inuk, der Mann – vorbei, machte sich Sorgen um sie, und sie suchte bei ihm Zuflucht. Ich bin überzeugt, sie sind schon vorher Freunde gewesen.“
    „Aye“, gestand Haakon. „Sie fühlte sich immer von Skraelingen angezogen, plapperte Worte ihrer Sprache ebenso früh wie Norwegisch, hörte ihren Geschichten zu, wenn sie herkamen, das liebe, vertrauensselige Mädchen … Aber er hätte sie ja hierher zu mir bringen können, oder nicht? Ich hätte ihn belohnt. Nein, er muß sie mit Gewalt entführt haben. Später – was ihr in dem Boot gehört habt, ist der Beweis dafür – hat der verdammte alte Hexenmann einen Zauber über sie geworfen. Gott sei ihr gnädig! Sie ist ebenso verloren und verstrickt wie ein Reisender, der in einen Elfenhügel gelockt wird … für ihre Verwandten verloren, für ihre Erlösung verloren, sie und meine Enkelin, alle beide – wenn wir sie nicht zurückholen können …“
    „Was geschah dann?“ fragte Tauno nach einer Weile.
    „Natürlich verließen sie die Stelle und zogen an einen anderen Ort in der Wildnis. Zu Beginn des Frühjahrs entdeckten unsere Jäger einen von ihnen, fingen ihn und brachten ihn gebunden zu mir. Ich hing ihn über ein kleines Feuer, um ihn zu zwingen, mir zu sagen, wo sie waren, aber er sprach nicht. Deshalb ließ ich ihn frei – nur daß ich ihm ein Auge nahm, um zu beweisen, daß ich es ernst meinte mit dem, was ich sagte – und gab ihm die Botschaft mit: Wenn sie mir nicht meine Tochter und meine Enkelin schickten und, damit ich Gerechtigkeit an ihnen üben könne, die Neidlinge, die sie schändeten, werde kein Mann in Vestri Bygd ruhen, bis auch der letzte dieser Trolle erschlagen sei, denn wir alle haben Frauen, die wir beschützen müssen. Ein paar Tage danach kam der Tupilak.“
    „Und was ist das?“ fragte Tauno. Sein Rückgrat prickelte.
    Haakons Gesicht verzerrte sich. „Als Bengta noch ein Kind war, erzählte sie mir eine Geschichte über einen Tupilak, die sie von den Skraelingen gehört hatte. Ich hielt es bloß für ein Schauermärchen, von dem sie Alpträume bekommen könne. Dann tröstete sie mich und versprach mir, nicht schlecht zu träumen. Oh, sie war die liebevollste Tochter, die ein Mann sich wünschen kann, bis …
    Nun gut. Ein Tupilak ist ein Seeungeheuer, das durch Hexenkunst gemacht worden ist. Der Zauberer baut einen Rahmen, zieht ein Walroßfell darüber, stopft das Ganze mit Heu aus und näht es zusammen, fügt Fangzähne und Klauen dazu und … und singt darüber. Dann bewegt es sich, sucht das Wasser, belauert die Feinde des Zauberers. Dieser Tupilak greift weiße Männer an. Er durchbohrt ihr Boot oder bringt es zum Kentern oder kriecht über den Rand. Speere, Pfeile, Äxte, nichts nützt gegen ein Wesen, das kein Blut hat, das nicht richtig lebendig ist. Er frißt die Mannschaft … Die wenigen, die entkamen, haben es bezeugt.
    Diesen ganzen Sommer konnten wir nicht aufs Meer fahren. Wir können nicht fischen, wir können keinen Seehund, keine Vögel mehr jagen, keine Eier auf den Brutinseln mehr sammeln; wir können keine Bitte um Hilfe nach Ostri Bygd senden. Männer sind über Land davongezogen. Wir haben nichts wieder von ihnen gehört. Vielleicht haben die Skraelinge sie abgefangen, obwohl es ebenso wahrscheinlich ist, daß sie vom Weg abgekommen und in dieser zerklüfteten, gefrorenen Wüste verhungert sind. Die im Süden sind es gewöhnt, lange Zeit keine Nachricht von uns zu erhalten, und jedenfalls haben sie auch eigene Schwierigkeiten. Und wenn sie ein oder zwei Boote schickten, würde der Tupilak sie überfallen.
    Wir haben kaum noch genügend Vorräte, um den Winter zu überstehen. Im nächsten Jahr werden wir sterben.“
    „Oder ihr zieht weg“, schlug Tauno dem verzweifelten Mann vor. „Jetzt verstehe ich, was Bengta gemeint hat. Ihr müßt gehen, müßt euch eine neue Heimat im Süden suchen. Ich nehme an, der Angakok wird das Ungeheuer

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