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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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Stöhnen war zu hören, offenbar hatte ihm die Bewegung
Schmerzen bereitet.
    Dr. Romero sah nachdenklich zwischen Michael und Rainer Pietsch hin
und her. Wieso reagierte der Junge so heftig auf den Anblick seines Vaters? Er
würde Michael in den nächsten Tagen wohl auch nach älteren Verletzungen
untersuchen müssen.
    Mertes hatte alles stehen und liegen lassen und war mit
dem Dienstwagen nach Pelm gefahren. Vor dem Haus der Wirschings standen bereits
der Kleinwagen von Kais Mutter und daneben ein Lieferwagen mit dem auflackierten
Slogan eines Handwerksbetriebs. Die Ehe der Wirschings hatte dem Tod von Kai
und den anschließenden Ermittlungen nicht standgehalten, aber offenbar war ihr
Verhältnis zueinander noch nahe genug, um sich im Gespräch mit dem
Kriminalkommissar gegenseitig beizustehen.
    Im Grunde genommen war Mertes froh, dass er Frau Wirsching nicht
allein treffen musste. Die Fragen würden ihr mit Sicherheit sehr nahegehen, da
war es hilfreich, wenn sie Unterstützung hatte. Und vielleicht wusste ja auch
ihr Exmann etwas, das ihm weiterhalf.
    Mit Notizblock und Stift stieg Mertes aus und ging zur Haustür.
Hinter ihm fuhr langsam und von ihm unbemerkt ein Streifenwagen vorüber. Der
Beamte am Steuer kannte Mertes, er wusste, wer hier wohnte, und er nahm sich
fest vor, seinem Vorgesetzten von dieser Beobachtung zu erzählen.
    Dr. Romero hatte noch Zeit bis zu seinem nächsten Termin.
Und wie so oft in den vergangenen Tagen wanderten seine Gedanken zu dem
unglücklichen Jungen, der vor Kurzem eingeliefert worden war. Seine Eltern
hatten sich offensichtlich Sorgen gemacht. Sie waren sofort gekommen und lange
geblieben, sie hatten den Frauen gedankt, die ihrem Sohn geholfen hatten, und
schienen sehr betroffen gewesen zu sein. Und doch war da das abweisende Verhalten
des Jungen gegenüber seinem Vater … Er hatte alles in seinen Bericht an den
Kinderarzt geschrieben, dessen Adresse ihm die Familie gegeben hatte. Wie
üblich war vieles in Fachbegriffen verklausuliert – sein Kollege würde trotzdem
sofort erkennen, welche Schlussfolgerungen sich für Dr. Romero geradezu
zwingend ergaben. Außerdem war je eine Kopie des Berichts auf dem Weg zu den
Eltern und zum Jugendamt.
    Noch am selben Vormittag, als Dr. Romeros Bericht mit der
Post kam, fuhren Rainer und Annette Pietsch zum Polizeirevier. Anzeige hatten
sie schon am Tag des Überfalls gestellt, und Michaels Retterinnen, Heike Römer
und Karin Hohmann, hatten sich sofort als Zeugen gemeldet. Sie kannten keinen
der Jugendlichen, hatten sich aber einige Details gemerkt: Einer der Jungs hatte
zwei Narben unter dem rechten Auge, ein anderer ein auffälliges Klappmesser bei
sich, und ein dritter hatte zwei nicht zueinander passende Turnschuhe und ein
T-Shirt mit dem Werbemotiv eines alten Schwarzenegger-Films angehabt. Unterwegs
rief Rainer Pietsch im Büro an und teilte seinem Abteilungsleiter mit, dass er
kurzfristig zwei, drei Stunden freinehmen müsse.
    Der Beamte, der den Einbruch und den Vorfall mit den gelösten
Radmuttern aufgenommen hatte, kam ihnen im Eingangsbereich des Polizeireviers
entgegen, runzelte die Stirn, ging dann aber weiter. Das Ehepaar Pietsch
meldete sich bei dem wachhabenden Beamten an, und der ging nach hinten, um
Bescheid zu sagen. Fünf Minuten später öffnete sich die Tür neben der
Glasscheibe des Empfangs, und ein etwa fünfzigjähriger Polizist mit Bauch und
Glatze kam heraus.
    »Müller«, sagte er mit einer tiefen, angenehmen Stimme und drückte
ihnen die Hand. »Kommen Sie bitte?«
    Er ging ihnen durch die Tür voraus, einen Flur entlang und blieb
schließlich neben einer geöffneten Tür stehen.
    »Bitte, hier herein«, sagte er. »Entschuldigen Sie bitte das Chaos.«
    Überall auf dem Schreibtisch, auf den halbhohen Wandschränken und
teils davor auf dem Boden stapelten sich Unterlagen und Mappen aller Art. Er
deutete auf zwei Holzstühle vor dem Schreibtisch und zwängte sich selbst in
einen etwas abgenutzt wirkenden Drehstuhl dahinter.
    »Wie geht es Ihrem Sohn?«
    »Schon besser«, sagte Annette Pietsch. »Er ist in guten Händen.«
    »Ja, Dr. Romero ist ein guter Arzt. Meine Tochter hatte auch mal einen
Unfall, und wenn er nicht gewesen wäre …« Er unterbrach sich. »Entschuldigen
Sie bitte: Ich wollte damit nicht sagen, dass es bei Michael ein Unfall wäre.«
    »Schon gut«, sagte Annette Pietsch. »Wir haben Ihnen den Bericht von
Dr. Romero mitgebracht, die Bilder haben Sie ja schon.«
    »Ja«, nickte

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