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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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Müller und griff sich den Umschlag. Er zog die Papiere
heraus, las darin, blätterte hin und her, dann legte er den Bericht zur Seite.
    »Gut, damit können wir erst einmal arbeiten. Das Problem ist, dass
wir noch immer gegen unbekannt ermitteln. Es ist klar, dass es einen Angriff
auf Ihren Sohn gegeben hat – aber bisher sind wir mit den Aussagen der beiden
Zeuginnen nicht allzu sehr vorangekommen. Die Beschreibungen sind recht
detailgenau, eigentlich, doch haben wir diese Typen offenbar nicht in der
Kartei – was auch nicht weiter verwundert, sie sollen ja alle erst so um die
sechzehn, siebzehn, vielleicht auch schon knapp volljährig sein.«
    Er musterte das Ehepaar.
    »Sie hatten erzählt, dass Michael auch in der Schule schon Probleme
hatte. Wir haben da mal nachgefragt: Offenbar war Ihr Sohn dort auch schon in
eine Schlägerei verwickelt – die allerdings er angezettelt haben soll. Was wissen
Sie davon?«
    »Wir kennen die Geschichte natürlich«, sagte Annette Pietsch. »Und
wir wissen ehrlich nicht, was wir davon halten sollen. Michael war zuvor nie
als aggressiv und streitlustig aufgefallen. Wir haben auch immer darauf
geachtet, dass unsere Kinder ihre Probleme mit Worten und nicht mit Gewalt
lösen.«
    »Das ist gut und richtig, aber trotzdem hat Michael wohl Streit
angefangen mit diesen beiden Klassenkameraden.« Er blätterte kurz in seinen
Unterlagen. »Tobias Rominger und Marc Königs. Kennen Sie die beiden?«
    »Na ja, wie man halt die Klassenkameraden seines Kindes kennt. Das
wird auch mit jedem Jahr weniger, weil die Kinder immer deutlicher auf Abstand
zu uns Eltern gehen. Da ist es gar nicht mehr so sehr erwünscht, dass wir
Kontakt zu den Freunden oder Klassenkameraden haben.«
    »Ja, das kenne ich gut.« Müller schmunzelte, dann wurde er wieder
ernst. »Natürlich gehen wir nicht davon aus, dass Michael auch diesmal den
Streit angefangen hat. Es soll sich um fünf Jugendliche gehandelt haben, alle
älter, größer und stärker als Ihr Sohn. Da müsste er ja verrückt sein, wenn er
sich mit denen anlegt. Aber es ist denkbar, dass Tobias und Marc sich diese
großen Jungs zu Hilfe geholt haben – dass sie Michael gewissermaßen eine Lektion
erteilen wollten, damit er seine Klassenkameraden künftig in Ruhe lässt.«
    »Klingt fast so, als sei unser Sohn ein berüchtigter Schläger«,
brummte Rainer Pietsch und sah finster drein.
    »So habe ich das nicht gemeint, Herr Pietsch.«
    Er blätterte noch einmal in seinen Unterlagen, schien danach eine
bestimmte Passage in Dr. Romeros Bericht zu suchen und sah, nachdem er sie
gefunden hatte, Rainer Pietsch nachdenklich an. Dann wandte er sich an Annette
Pietsch.
    »Wenn Sie Ihren Sohn früher nicht aggressiv erlebt haben, wenn er
friedfertig war und seine Probleme im Gespräch löste … können Sie mir denn
sagen, wann das zum ersten Mal anders war?«
    Annette Pietsch sah ihn fragend an.
    »Wann«, fuhr er fort, »hatten Sie denn zum ersten Mal den Eindruck,
Michael regelt auch schon mal etwas mit den Fäusten – wenn ich’s mal so salopp
sagen darf?«
    »Das erste Mal …« Annette Pietsch dachte lange nach, dann
schüttelte sie den Kopf. »Nein, uns ist nichts Bestimmtes aufgefallen. Er hatte
diese neue Lehrerin, Rosemarie Moeller, und seit Beginn des Schuljahres gab es
da eine schleichende Entwicklung – das betrifft aber auch viele andere Kinder
an der Schule. Alle Schüler, die Rosemarie Moeller oder ihren Mann als Lehrer
haben, verändern sich seit Herbst. Sie arbeiten disziplinierter, bekommen
bessere Noten, aber sie scheinen auch mehr unter Druck zu stehen.«
    »Ja, Rektor Wehling hat mir von Ihren Sorgen erzählt. Aber das meine
ich nicht. Michael scheint eine etwas … na ja … deutlichere Entwicklung
genommen zu haben als viele andere an der Schule. Vielleicht gibt es dafür noch
einen weiteren Grund.«
    Annette Pietsch sah ihn irritiert an.
    »Welchen Grund meinen Sie?«
    Müller zuckte mit den Schultern.
    »Sagen Sie es mir«, meinte er schließlich.
    Dann drehte er sich zu Rainer Pietsch, musterte den Mann einige
Sekunden lang und dachte: Oder Sie …
    Annette Pietsch saß noch bis spät am Abend über ihrem
Kalender und versuchte, sich einen Überblick über die zahlreichen neu
eingegangenen Aufträge für ihre Cateringfirma zu verschaffen. Firmenjubiläum,
Geburtstag, Goldene Hochzeit, Housewarming-Party – endlich brummte der Laden
wie erhofft, und nun kamen alle Anfragen gleichzeitig, und sie musste zusehen,
dass sie sich

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