Kinder
der
weitergegangen war, und die beiden nahmen Kurs auf die Innenstadt.
Michael schlurfte fürs Mittagessen zusammen mit Petar und
Ronnie gemächlich zur Mensa hinüber. Kartoffelbrei, Hackbällchen und
Paprikasoße zählten zwar nicht gerade zu seinen Lieblingsgerichten, aber für
diesen Monat war keine Rote Wurst aus der Metzgertheke mehr drin und erst recht
keine Hühnchenschale aus dem Thai-Imbiss – das musste er selbst bezahlen,
während er das Geld für die Mensa-Essensmarken von seinen Eltern bekam.
Tobias und Marc bemerkte er erst, als die beiden mit Schwung in ihn
hineinrannten.
Michael verlor das Gleichgewicht, und Tobias, der sich in Michaels
Ranzengurt verheddert hatte, zog ihn vollends zu Boden. Die beiden Jungs
rappelten sich auf, Petar und Ronnie halfen Michael wieder auf, und Tobias begann
sofort loszuschimpfen, Michael habe ihn stolpern lassen.
»He, ist gut jetzt«, sagte Petar und funkelte Tobias und Marc wütend
an. »Erst rennt ihr Michael über den Haufen, und jetzt wollt ihr auch noch
rummotzen?«
»Michael ist wirklich …«, mischte sich nun auch Marc ein, aber
Petar stoppte ihn: »Schaut zu, dass ihr Land gewinnt, ihr Knallköpfe!«
Mit dem stämmigen Petar wollten sie sich offensichtlich nicht
anlegen, und so trollten sich die beiden, noch immer schimpfend wie die
Rohrspatzen. Aus dem Augenwinkel bemerkten sie Hannes Strobel, der einen Teil
der Szene durch die offene Tür eines Klassenzimmers beobachtet hatte.
Erst als sie um die nächste Ecke gebogen waren, gönnten sich Tobias
und Marc ein Grinsen und klatschten sich zufrieden ab. Das war fürs Erste gar
nicht so schlecht gelaufen.
Gegen fünf verabschiedete sich Lukas. Kevin hatte mit ihm
gespielt, ein bisschen gelernt und die Kekse und den Kakao verputzt, die ihm
seine Mutter morgens hingestellt hatte –war nun aber erleichtert, dass Lukas
aufbrach und er endlich sein neues Konsolenspiel ausprobieren konnte.
Auf dem Weg zur nächsten Bushaltestelle sah sich Lukas immer wieder
nach allen Seiten um, doch weder Marius noch einer seiner Freunde war zu sehen.
Er musste einmal umsteigen und erwischte dabei den Bus, mit dem auch seine
beiden älteren Geschwister nach Hause fuhren.
Schwatzend und lachend gingen Sarah, Michael und Lukas das letzte
Stück bis nach Hause, und vor allem Lukas genoss den kurzen Weg: In Begleitung
der beiden Älteren hatte er nichts zu befürchten.
Im Haus hantierte Annette Pietsch bereits mit Töpfen und Pfannen,
schnippelte Gemüse klein und schien bester Laune. Rainer Pietsch hatte
angerufen: Die für heute angesetzte Besprechung um sechs falle aus, hatte er
gesagt, und er könne nun doch zum gemeinsamen Abendessen zu Hause sein.
»Mami«, rief Sarah in die Küche, »wir sind da, und ich mache noch
kurz Hausaufgaben, ja?«
»Oha!«, kam es vom Herd zurück. »So fleißig?«
Aber da war Sarah schon in ihr Zimmer verschwunden, und auch die
beiden Jungs saßen an ihren Schreibtischen. Michael lernte auf einen
Vokabeltest, und Lukas hockte einfach nur da und war froh, dass der Tag für ihn
so glimpflich verlaufen war.
Er zog sein Hausaufgabenheft heraus, überflog noch einmal die Liste
der bereits abgehakten Aufgaben – und wurde bleich: Aus dem Heft rutschte ein
kleiner karierter, aus einem Block gerissener Zettel, auf dem nur »Kohle!!!«
stand, groß und fett gekrakelt und mit drei Ausrufezeichen dahinter.
Sarah konnte lange nicht einschlafen. Sören ging ihr nicht
mehr aus dem Kopf. Nett hatte sie ihn schon immer gefunden, aber ein
gleichaltriger Junge war eigentlich viel zu jung für sie – wenn sie ihn sich
als ihren festen Freund vorstellte.
Bisher hatte sie sich mit ihm ganz gut verstanden. Er war ein
angenehmer Typ, cool natürlich, aber meistens freundlich, während viele andere
ihre Coolness auf eine Art vor sich hertrugen, die sie arrogant wirken ließ.
Sören war anders, und seit Moeller ihn vor der versammelten Klasse so
heruntergemacht hatte, offenbarte er auch Seiten, die sie bisher nicht an ihm
vermutet hätte. Verletzlich wirkte er inzwischen, und hinter der lässigen
Fassade, die durch Moeller Risse bekommen hatte, kam ein eher schüchterner
Junge zum Vorschein.
Sarah mochte das. Sie hatte ohnehin noch nie verstanden, warum Jungs
immer den Macker geben mussten, obwohl das kein bisschen männlich, sondern
meistens einfach nur lächerlich wirkte.
Schritte kamen die Treppe herauf, und Sarah zog sich seufzend die
Decke über den Kopf, mit den Gedanken noch immer bei
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