Kinder
erbärmlich, aber er versuchte es sich nicht anmerken
zu lassen. Seine Nackenhaare standen zu Berge, aber das Zischen an seinem Ohr
nahm kein Ende. Schließlich raunte Moeller ihm mit höhnischem Unterton zu:
»Sören Karrer, Sie sind fertig, erledigt, glauben Sie mir!«
Dann entfernten sich die Schritte, Moeller schien zurück über die
Straße zu gehen. Sören hörte die Haustür zuschlagen – erst jetzt wagte er den
Blick zu senken und zum Hauseingang hinüberzusehen. Im Treppenhaus brannte
Licht, die Straße lag ruhig und leer. Sören wandte den Kopf der Stelle zu, an
der Franz Moeller gerade noch gestanden hatte. Ein leichter Geruch wie von
Rotwein und Räucherstäbchen hing in der Luft. Ein Weinkrampf schüttelte ihn,
schluchzend und zitternd kippte er vornüber und blieb zusammengekauert auf dem
Betonkasten hocken. Schließlich nahm Sören alle Kraft zusammen, ließ sich zu
Boden gleiten und schlurfte gebeugt nach Hause.
Oben stand Franz Moeller und schaute ihm aus dem dunklen Zimmer hinterher.
Der Freitag begann ungewohnt ruhig im Hause Pietsch.
Während Annette Pietsch ihrem Mann noch nachsah, als er mit dem kleineren ihrer
beiden Autos um die nächste Ecke verschwand, hörte sie hinter sich Schritte auf
der Treppe.
Sarah und Michael kamen herunter, waren bereits angezogen und
stellten ihre Schulranzen sachte an der Wand neben der Eingangstür ab. Dann
gingen sie in die Küche, holten aus den Regalen und dem Kühlschrank, was noch
zum Frühstück fehlte, und begannen zu essen.
»Magst du dich nicht zu uns setzen?«, fragte Sarah schließlich, als
sie ihre Mutter bemerkte, die staunend in der Küchentür stand. Es war Annette
Pietsch schon aufgefallen, dass sich die Kinder mehr am Haushalt beteiligten,
aber so vorbildlich, so selbstständig wie heute früh hatten sie sich bisher
noch nie verhalten.
»Äh … ja, doch, klar. Ich geh nur noch kurz nach Lukas sehen.«
»Okay, Mami!«
Kopfschüttelnd ging sie die Treppe hinauf, um Lukas zu wecken, doch
auch ihr Jüngster war schon wach. Er saß am Schreibtisch und schien noch seine
Schulsachen zu sortieren – als Annette Pietsch ihn aber ansprach, zuckte er
kurz zusammen und schob schnell ein aufgeschlagenes Schulheft über die Mitte
der Schreibunterlage.
»Ist was?«, fragte seine Mutter.
»Nein, nein, alles klar«, versicherte der Junge schnell. »Ich komm
auch gleich runter.«
Kurz zögerte Annette Pietsch, wollte fragen, was Lukas denn so
erschreckt habe, aber dann drehte sie sich doch um und ging wieder nach unten.
Lukas wartete, bis sie unten angekommen war, dann klappte er das
Matheheft zu, steckte es in den Schulranzen und zählte noch einmal das Geld,
das er auf den Schreibtisch gelegt hatte, ehe er es sich in die rechte
Hosentasche stopfte.
»Dumm gelaufen, würde ich sagen«, sagte Franz Moeller
leichthin und schickte Sarah Pietsch wieder zurück zu ihrem Platz. »Das sollte
Ihnen in diesem Schuljahr nicht mehr allzu oft passieren.«
Sarah saß mit hochrotem Kopf auf ihrem Stuhl und stierte vor sich
auf die Tischplatte. Der Moeller war so ungerecht, ging es ihr durch den Kopf,
aber sie sagte keinen Ton, um nicht noch einen Rüffel zu riskieren.
»Eigentlich sollte ich Ihnen nicht nur eine mündliche Sechs geben,
sondern gleich zwei – Sie machen auf mich nicht den Eindruck, als hätten Sie
verstanden, was ich damit bezwecken will.«
Sarah stierte weiter vor sich hin. Am liebsten wäre sie im Boden
versunken.
Franz Moeller ging langsam auf sie zu, stellte sich direkt hinter
sie und sah auf denselben Punkt auf dem Tisch wie sie. Ansonsten stand er stumm
und still, stand einfach da, direkt hinter Sarahs Stuhllehne. Sarah fröstelte,
und vor allem hatte sie keine Ahnung, wie sie nun am besten reagieren sollte.
Aus den Stuhlreihen hinter ihr war unterdrücktes Kichern zu hören, das aber
abrupt endete, als Franz Moeller sich kurz räusperte.
Zwei, drei Minuten dauerte das Schweigen an, dann hielt Sarah es
nicht mehr aus: Langsam drehte sie sich auf ihrem Stuhl zu Moeller um und sah
ihn fragend an.
Der Lehrer grinste auf sie hinunter: »Ich dachte schon, wir hätten
Sie nun ganz verloren.«
Sarahs rot leuchtende Wangen nahmen eine noch intensivere Farbe an.
Sie schämte sich, wusste aber nicht einmal genau, wofür.
»Kommen Sie bitte noch einmal zu mir nach vorn?«, sagte Moeller
schließlich nach einer weiteren Pause und ging zur Tafel.
Mit wackligen Beinen erhob sich Sarah, atmete tief durch und folgte
dem Lehrer.
»Machen Sie das
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