Kinder
Elternsprecher, Vertrauenslehrer Hässler, zwei der drei
Schülersprecher sowie Wehling selbst und seine langjährige Sekretärin.
Schnell war klar gewesen, dass in diesem Raum niemand Partei für die
beiden Lehrer ergreifen wollte, die hier zur Debatte standen. Rosemarie und
Franz Moeller waren in all ihren Klassen schnell mit ungewöhnlichen Methoden
und einem außerordentlich strengen Bewertungsmaßstab aufgefallen, und vor allem
zu Beginn hatte sich damit niemand anfreunden können.
Einige der Klassen schienen sich mittlerweile auf die beiden Lehrer
eingestellt zu haben, jedenfalls berichteten die beiden Schülersprecher auch
von positiven Rückmeldungen – aber nach dem Selbstmordversuch des Schülers
Sören Karrer, den Franz Moeller offenbar mehrfach im Unterricht gedemütigt
hatte, überwog natürlich die Kritik.
Ob auch der Fall des mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus
gebrachten Ronnie mit den beiden Lehrern und der Atmosphäre, die sie in ihren
Klassen verbreiteten, zu tun hatte, vermochte niemand zu sagen – es hatte sich
noch kein Schüler gefunden, der dem Siebtklässler etwas ins Trinkwasser getan
haben könnte.
»Und was schlagen Sie nun konkret vor?«, fragte Johannes Wehling,
als sich die Diskussion immer mehr im Kreis zu drehen begann, und sah die
Elternvertreter nacheinander an.
Karin Knaup-Clement vergewisserte sich mit kurzen Seitenblicken,
dass sie für die anderen sprechen konnte, dann meinte sie: »Unserer Meinung
nach sind Rosemarie und Franz Moeller als Lehrer an dieser Schule nicht länger
haltbar.«
Wehling musterte noch einmal die Elternvertreter und erntete
zustimmendes Nicken.
»Sie wissen vermutlich selbst, dass eine solche Entscheidung nicht
mal so nebenbei getroffen werden kann.« Er hob beide Hände, als ihm Karin
Knaup-Clement ins Wort fallen wollte. »Zumal ich auch die andere Seite dieser … Angelegenheit sehe.«
»Angelegenheit?«, empörte sich Friederike Reichert, die
Elternsprecherin der 9c, die Sören Karrer besuchte. Ihre Tochter Carina war
Klassensprecherin und hatte sie über alles Nötige auf dem Laufenden gehalten.
Wieder hob Wehling beschwichtigend die Hände.
»Ich verstehe Ihre Aufregung, glauben Sie mir. Aber bitte versetzen
Sie sich mal in meine Lage. Unser Lehrerkollegium ist personell auf Kante
genäht, wir haben alle Mühe, den Unterrichtsbetrieb ohne größere Ausfälle aufrechtzuerhalten – und bisher ist noch niemand für längere Zeit krank geworden. Im kommenden
Frühjahr stehen dann wieder die Abiturprüfungen an, von Schüleraustausch und
Schullandheimaufenthalten ganz zu schweigen – da kann ich nicht einfach zwei
Lehrkräfte, die ein sehr umfangreiches Pensum übernommen haben, an die Luft setzen.«
Die Elternvertreter schüttelten entrüstet den Kopf, die Schüler und
der Vertrauenslehrer waren nachdenklich geworden, weil sie die Zwangslage der
Schule aus eigenem Erleben natürlich nur zu genau kannten.
»Außerdem«, fuhr Wehling fort, »bin ich der Überzeugung, dass wir
die beiden Kollegen auf jeden Fall noch anhören sollten, bevor wir irgendwelche
Konsequenzen ziehen. Sogar für Lehrer …« – er sah die Elternvertreter stirnrunzelnd
an – »… sollte zunächst einmal die Unschuldsvermutung gelten, nicht wahr?«
Karin Knaup-Clement presste wütend die Lippen aufeinander, auch die
anderen Eltern sagten nichts.
»Ich gehe davon aus, dass Sie da meiner Meinung sind. Ich wollte
zuerst von Ihnen erfahren, was Sie so sehr gegen die beiden Kollegen
aufgebracht hat. Das weiß ich nun, und als Nächstes suche ich das Gespräch mit
den beiden. Ich werde mir ihre Sicht der Dinge anhören, danach – frühestens
danach – können wir über Konsequenzen welcher Art auch immer nachdenken.«
Hässler musterte die Eltern: Sie fixierten Wehling mit wütenden
Blicken, platzten offensichtlich fast vor Tatendrang – während der Rektor
längst dabei war, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen. In den Jahren, seit
er hier unterrichtete, hatte er das alles schon mehrfach erlebt: Ein Problem
kam auf, der Rektor wich aus, lavierte herum und schließlich endete alles mit
einem Gespräch, das keine Lösung brachte. Und irgendwann verdrängte ein neues
Thema das Problem, oder die Kinder machten ihr Abitur und die Eltern waren
nicht länger mit dieser Schule befasst. Gut möglich, dass Wehling auch diese
Krise einfach aussitzen wollte.
»Gut, reden Sie mit den beiden«, sagte Karin Knaup-Clement
schließlich. »Reden Sie mit ihnen!
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