Kinder
den anderen Lehrer weniger mögen – und in unserer heutigen
Gesellschaft ist es leider üblich, dass sich die Eltern dann sofort einschalten
und glauben, sich zum Schutz ihrer Kinder als Gegner der Schule positionieren
zu müssen.«
Wehling ertappte sich dabei, wie er zustimmend nickte – diese
Erfahrung hatte er zur Genüge gemacht.
»Wissen Sie, Herr Wehling, wir Lehrer sind doch nicht für alles
verantwortlich zu machen! Die Eltern schicken uns ihre Sprösslinge, erwarten
von uns, dass wir sie fit machen für den Weg zu den besten Unis und dass wir
sie nebenbei auch noch erziehen – aber wenn wir dazu den für manche Kinder und
Jugendliche nötigen Druck aufbauen, ist es auch wieder nicht recht.«
»Sören Karrer wäre unter diesem Druck fast zerbrochen«, brachte
Wehling das Gespräch wieder zum Kernpunkt zurück. »Und das darf natürlich nicht
passieren, da werden Sie mir kaum widersprechen wollen.«
Moeller schüttelte langsam und, wie es aussah, tieftraurig den Kopf.
Er schien tatsächlich ernsthaft betrübt wegen des Selbstmordversuchs seines
Schülers.
»Natürlich ist mir schon aufgefallen, dass Ihre Unterrichtsmethode
und« – er nickte Rosemarie Moeller zu – »die Ihrer Frau schon viel Positives
bewirkt hat. Mancher Kollege genießt es sehr, die von Ihnen unterrichteten
Klassen inzwischen ruhiger, engagierter und disziplinierter vorzufinden. Das
hat Ihnen viel Respekt im Kollegium eingebracht – das erwähne ich nur für den
Fall, dass es Ihnen die betreffenden Kollegen noch nicht persönlich gesagt
haben.«
»Haben sie natürlich nicht«, lächelte Moeller süffisant. »Wir sind
nicht von der allzu geselligen Art – das legen uns manche Kollegen leider als
Unnahbarkeit aus. Aber gut: Was soll man machen?«
Nicht allzu gesellig? Wehling grinste: Das war wohl die
Untertreibung des Jahres …
»Aber ich nehme an, Sie wissen trotzdem von der Wertschätzung, die
Sie an unserer Schule genießen.«
Rosemarie und Franz Moeller nickten.
»Trotz der jüngsten Vorfälle.«
Die Mienen der beiden wurden wieder ernst.
»Die Ihnen aber im Kollegium natürlich niemand direkt anlastet,
verstehen Sie mich da bitte nicht falsch!«
Rosemarie Moeller fixierte Wehling mit unverändert stechendem Blick,
ihr Mann gab sich dagegen besänftigt.
»Ich verstehe Sie ja, Herr Wehling«, brummte er. »Ihnen sitzen
natürlich die Eltern im Nacken – wobei es schon enttäuschend ist, dass sie mit
ihren Klagen zu Ihnen kamen und nicht das direkte Gespräch mit uns beiden
suchten.«
Das wiederum konnte Wehling nur zu gut verstehen. »Gut, dann sind
wir wohl durch«, sagte er und erhob sich. »Versprechen Sie mir bitte, dass Sie
mit Ihren Schülern künftig ein wenig … nun ja … sanfter umgehen, wenn Sie
den Eindruck haben, dass es der eine oder die andere nötig hätte, ja?«
Rosemarie Moeller erhob sich, drückte dem Rektor wortlos die
hingestreckte Hand und ging mit schnellen Schritten zur Tür. Wehling sah ihr
mit einem unguten Gefühl nach, dann kam er um seinen Schreibtisch herum,
drückte auch Franz Moeller die Hand und raunte ihm dabei ins Ohr: »Vielleicht
können Sie noch einmal mit Ihrer Frau reden. Ich habe den Eindruck, sie hat das
hier etwas zu persönlich genommen. Könnten Sie …?«
Franz Moeller sah dem Rektor kurz in die Augen, dann gestattete er
sich die Andeutung eines Lächelns und nickte. »Ich werde mit ihr reden, aber
sie hat Sie schon richtig verstanden, keine Sorge.«
Damit ging auch er hinaus und Wehling stand noch einige Minuten
gedankenschwer mitten im Raum, bevor er sich aufraffte und sich einen Espresso
brühte.
Ronnie sah noch immer etwas mitgenommen aus, aber auch
wenn er sich selbst lieber noch an Zwieback und Salzstangen hielt, begleitete
er seine Freunde doch zum Schulbäcker. Petar stellte sich an, um für sich und
Michael je einen Amerikaner zu kaufen, die beiden anderen warteten etwas
abseits der langen Schlange.
Tobias und Marc, die sich schon zwei Brezeln gekauft hatten, schlenderten
an Ronnie und Michael vorbei und sahen feixend zu ihnen hin, sagten aber
nichts. Michael wurde daraus nicht ganz schlau – als ihm aber auffiel, dass
Ronnie den beiden mit zornigem Blick nachsah, kam ihm ein böser Verdacht.
Auch Marius und seine Kumpels hatten ihr Ziel im Visier. Sie ließen
nicht locker. Und irgendwann mochte Kevin nicht mehr tatenlos zusehen. Als die
anderen auf dem Schulhof warteten und sich Lukas wieder unter einem Vorwand
zurück ins Schulgebäude schleichen
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