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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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desinteressiert und
sehr schüchtern gewesen – das höhere Lerntempo hatte sie angestachelt und
Erfolge, die sich bald eingestellt hatten, hatten ihr Selbstbewusstsein
gestärkt.
    »Warum hat denn niemand direkt mit Ihnen geredet? Sie haben uns doch
in der Klassenlehrerstunde erklärt, dass man Konflikte immer direkt austragen
sollte.«
    Rosemarie Moeller nickte und ließ ihren Blick über die Stuhlreihen
schweifen.
    »Hat jemand die Antwort auf Sorayas Frage?«
    Niemand meldete sich.
    »Seht ihr, Kinder, so geht es mir auch. Aber das zeigt ja nur, dass
es kein Fehler ist, wenn wir euch manches hier in der Schule beibringen – nicht
jeder hat das Glück, solche grundlegenden Bestandteile einer guten Erziehung
schon zu Hause vorgelebt zu bekommen.«
    Ein bitterer Zug spielte um den Mund der Lehrerin.
    Ein weiteres Mädchen meldete sich, Rosemarie Moeller nickte Tabea
Clement ermunternd zu.
    »Welche Eltern haben sich denn über Sie beschwert?«
    Rosemarie Moeller sah das Mädchen nachdenklich an, ehe sie langsam
den Kopf schüttelte und an die ganze Klasse gerichtet antwortete: »Ich will
keine Namen nennen, weil wir hier in der Schule keine Zwietracht zwischen euch
und euren Eltern säen wollen.« Sie sah wieder zu Tabea hin: »Gerade bei dir
nicht.«
    Tabea Clement wurde blass, einige andere Kinder sahen unfreundlich
zu ihr hin.
    Auch in der 7c erzählte Rosemarie Moeller von den
Beschwerden einiger Eltern, ohne Namen zu nennen, und sie erklärte den Kindern,
dass sie künftig alle Schüler gleich behandeln würde, um sich nicht vorwerfen
lassen zu müssen, sie würde manche bevorzugen, die von ihren Fähigkeiten her
mehr Förderung brauchten.
    Das klang alles recht theoretisch für die Zwölf- und
Dreizehnjährigen hinter ihren Tischen, aber Michael bekam schon in dieser
Unterrichtsstunde sehr praktisch mit, was sich durch die Elternproteste für ihn
ändern würde – was sich heute bereits geändert hatte: Wie immer hatte er häufig
den Arm nach oben gestreckt, aber anders als sonst war er nicht mehrfach
drangenommen worden. Und als er endlich kurz vor Ende des Unterrichts doch noch
an der Reihe war, fiel seine Antwort nicht zur vollen Zufriedenheit der
Lehrerin aus – und Rosemarie Moeller, die ihn sonst immer ermuntert und auch
für nur teilweise richtige Antworten gelobt hatte, kritisierte ihn knapp und
kalt.
    Michael war völlig überrumpelt, lief rot an – und konnte sich nur zu
gut vorstellen, wie Marc und Tobias hinter ihm feixten.
    Sarah sah den Papierflieger gerade noch aus dem
Augenwinkel auf sich zuflitzen. Sie duckte sich, der Flieger verfehlte sie
knapp und trudelte ein, zwei Meter weiter vor ihr auf dem Boden aus.
    Sie sah sich um, konnte aber nicht entdecken, wer den Flieger
geworfen haben könnte – vielleicht war es nur Zufall gewesen. Sie ging zu dem
Flieger hin, hob ihn auf und faltete ihn langsam auseinander. Als sie das Blatt
glattstrich, fiel ihr auf, dass sie die Rückseite sah – und als sie das Blatt
umdrehte, konnte sie es lesen: »Siehst echt … süß aus!«
    Noch einmal sah sie sich um, aber Rico, der richtig stolz war, wie
gut er Sarah mit dem Papierflieger anvisiert hatte, versteckte sich gerade noch
rechzeitig hinter einer Mauer.
    Rosemarie und Franz Moeller trafen sich vor der großen
Pause auf dem Weg zum Lehrerzimmer.
    »Und?«, fragte er knapp.
    Um sie herum rannten die jüngeren Schüler mit großem Getöse zum
Ausgang, während die älteren gemächlich durch den Flur schlenderten. Inmitten
des Getümmels konnte man sich erstaunlich gut ohne Ohrenzeugen unterhalten.
    »Sie sind informiert«, sagte sie. »Nun schauen wir mal, was sie
daraus machen.«
    Sie sah besorgt aus, er rieb ihr mit der Hand leicht über den
Oberarm.
    »Du wirst sehen, das hat schon gereicht«, versicherte er ihr. »Die
Saat geht auf, und wir können das in aller Ruhe beobachten. Und wenn wir
trotzdem noch etwas nachsteuern müssen, wird nichts nötig sein, was uns
irgendwie auffällig macht – glaub mir!«
    »Wenn du meinst …« Rosemarie Moeller wirkte nicht recht überzeugt.
    »Das wird schon, verlass dich drauf«, beruhigte er sie noch einmal.
»Und wir wissen, dass wir das Richtige tun – also wird es auch diesmal
klappen.«
    »Ja, du hast sicher recht.«
    Sie hatten die Tür zum Lehrerzimmer erreicht. Franz Moeller warf
seiner Frau noch einen aufmunternden Blick zu, sie lächelte schwach zurück,
dann drückte er die Klinke und ließ die Tür aufschwingen.
    Kevin und Lukas hatten es fast

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