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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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verstummte dann wieder.
    »Hast du ein schlechtes Gewissen?«, fragte Sarah schließlich. »Musst
du nicht haben.«
    »Und warum bist du hier?«
    »Na ja …« Sarah grinste ihn an. »Wahrscheinlich auch eher
meinetwegen.«
    »Musst du ein schlechtes Gewissen haben?«
    »Nein, eigentlich nicht. Aber …«
    Beide blieben eine Weile stumm.
    »Fühlt sich scheiße an, oder?«, fragte Hendrik schließlich.
    »Ja, ziemlich. Und ich weiß nicht mal, warum.«
    Hendrik sah sie eine Zeit lang an, dann sagte er: »Bei mir ist es
so, dass ich mir vorwerfe, ich hätte mehr für ihn tun können. Ich hab … Er
hat mir erzählt, dass ihn der Moeller fertigmacht – und ich hab ihm
vorgeschlagen, dass wir am nächsten Tag zusammen zu Hässler gehen könnten und
den fragen, was am besten zu machen wäre.«
    »Das war doch eine gute Idee.«
    »Sören hat das wohl anders gesehen: In der folgenden Nacht ist er
mit seinem Strick runter zum Fluss …«
    »Oh«, machte Sarah und sah wieder zum Fenster hinauf.
    Sie warteten noch fünf, sechs Minuten, dann rutschte Hendrik von dem
Waschbetonverschlag herunter.
    »Also, ich will jetzt ein Eis oder eine Limo.«
    »Es ist saukalt!«
    »Ja, und?« Hendrik musterte Sarah kurz. »Kommst du mit?«
    Sie zögerte, dann nickte sie und schlurfte neben Hendrik her in
Richtung Eisdiele.
    Oben am Fenster beobachtete Sören die beiden, bis sie aus seinem
Blickfeld verschwunden waren. Dann ließ er sich auf sein Bett fallen, starrte
zur Decke und dachte verbittert: Jetzt gehen die beiden und lassen mich allein,
wie all die anderen auch.
    Der Nachmittagsunterricht war kaum vorüber, da kam kalter
Nieselregen auf. Michael plauderte noch ein wenig mit Ronnie, Petar musste
schnell nach Hause. Schließlich machte sich auch Ronnie auf den Weg und Michael
ging gemächlich zur Bushaltestelle. Auf halbem Weg sah er, wie sich Tobias und
Marc gerade verabschiedeten – Michael überlegte kurz, dann folgte er Tobias in
einigem Abstand.
    Zwei Kreuzungen weiter hatte Michael den Abstand etwas verringert,
und als Tobias vom Marktplatz aus in eine enge Seitengasse einbog, holte
Michael auf. Er erreichte den anderen in Höhe einer etwas verdeckt liegenden Hofeinfahrt,
über der die Leuchtreklame für eine Autowerkstatt flackerte. Michael streifte
sich im Laufen die Sporttasche von der Schulter und schleuderte sie Tobias von
hinten so gegen die Füße, dass der ins Stolpern kam. Tobias drehte sich um,
aber da hatte ihn Michael schon gepackt und schob ihn in die Hofeinfahrt und
gegen die Hauswand.
    »He, spinnst du?«, rief Tobias, aber als er den wütenden Blick
seines Gegenüber sah, bekam er es doch mit der Angst zu tun.
    »Halt die Klappe, du Arsch!«, fauchte ihn Michael an und drückte mit
dem angewinkelten linken Unterarm noch etwas fester gegen seinen Brustkorb. Von
Michaels Haaren tropfte das Regenwasser, aber er schien es nicht zu bemerken.
    Kurz standen sie so an der Wand, und Tobias überlegte sich
fieberhaft, was er am besten tun könnte, um der Tracht Prügel zu entgehen, die
ihm nun offenbar blühte. Von Marc war keine Hilfe zu erwarten – und Michael
schien echt sauer zu sein.
    »Was willst du von mir, Michael?«, versuchte er es noch einmal. »Dir
geht’s doch schon wieder besser, und dafür, dass du die Treppe runtergefallen
bist, kann ich doch wirklich nichts!«
    Michael schwieg, starrte den anderen an, dann wurden seine Augen
feucht und er schluckte.
    »Kannst Strobel fragen«, sagte Tobias, und er gab seiner Stimme
einen höhnischen Klang. Er hatte das Gefühl, wieder Oberwasser zu bekommen: Ein
heulender Michael war nun wirklich keine besonders große Bedrohung.
    Der Schlag kam völlig unerwartet. Tobias hatte den anderen genau
gemustert, hatte versucht, in seinem Gesichtsausdruck zu lesen – doch das
Zucken in Michaels Blick und der stechende Schmerz in seinem Unterleib kamen zu
schnell nacheinander, als dass er noch irgendwie hätte reagieren oder
ausweichen können.
    Tobias blieb kurz die Luft weg, dann gaben seine Beine nach. Michael
trat einen Schritt zurück und sah dem anderen stumm zu, wie er an der Wand
entlang zu Boden rutschte.
    »Mann«, keuchte Tobias und hielt sich die Stelle, an der ihn die
Faust getroffen hatte.
    »Na, also«, sagte Michael und klang zufrieden mit sich, »geht doch!«
Er sah auf Tobias hinunter, der sich die schmerzende Stelle rieb und allmählich
wieder Luft bekam. »Und sag deinem Kumpel, dass ihr mich von jetzt an am besten
in Ruhe lasst!«
    Tobias sagte nichts,

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