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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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reinschauen.«
    »Das ist wahr«, grinste Rainer Pietsch und zwinkerte seinem Sohn zu.
Lukas schien sich ein wenig zu entspannen. »Und … Marius, zum Beispiel?«
    Lukas versteifte sich sofort wieder und musterte seinen Vater
angespannt.
    »Na?«
    »Marius ist mir scheißegal, Papa!«
    »Echt? Das wäre gut. Aber immerhin hat er dich verdroschen, dich und
Kevin, du erinnerst dich?«
    »Klar erinnere ich mich«, maulte Lukas und zupfte an seinem
Croissant herum.
    »Deshalb nehm ich es dir nicht so ganz ab, wenn du sagst, dass
Marius dir egal ist. So schnell geht das nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Vielleicht weil ich selbst mal ein Kind war?«
    Lukas sah seinen Vater lange an, dann lächelte er verschmitzt.
»Echt?«
    »He, junger Mann«, spielte Rainer Pietsch den Empörten, »nicht frech
werden, ja?« Lukas grinste, wurde aber schnell wieder ernst. »Marius ist ein
Idiot, und seine Kumpels auch«, fuhr Rainer Pietsch nach einer Pause fort. »Und
ich frage mich die ganze Zeit, warum das so ist.«
    »Die sind halt doof, dafür brauchen die keinen bestimmten Grund.«
    »Mag sein, aber du hattest mir erzählt, dass sie seit Anfang dieses
Schuljahrs Kevin in Ruhe gelassen hatten, richtig?«
    Lukas wand sich, nickte aber.
    »Und du hast dich mit Kevin angefreundet, und dich haben sie
ebenfalls in Ruhe gelassen, oder?«
    Lukas sah seinen Vater an: Wusste er Bescheid wegen des Geldes?
    »Oder?«, hakte Rainer Pietsch nach.
    Er schien Lukas nicht böse zu sein – also wusste er auch nichts von
dem Geld, das Lukas für Marius und die anderen im Haus zusammensuchte.
    »Ja, schon«, sagte Lukas schließlich.
    »Und wann genau haben sie wieder damit angefangen, Kevin und dann
auch dich zu mobben oder zu treten oder was weiß ich alles?«
    Lukas dachte nach. »Das hat angefangen, nachdem ihr Eltern euch über
die Moellers beschwert habt.«
    Rainer Pietsch dachte kurz über die Antwort seines Jüngsten nach,
dann nickte er langsam, stand auf und ging zu seiner Frau hinüber.
    Lukas saß ganz still am Tisch, kaute nicht und trank nicht, er
horchte, aber er konnte nicht verstehen, was seine Eltern nebenan in gedämpftem
Ton miteinander besprachen. Seine Gedanken gingen zurück zu Marius, Benjamin
und Hype. Zu Claas, der sich nach Kevins Unfall mit den drei anderen
zerstritten hatte. Zu dem Geld, das er längst bereitgelegt hatte, nach dem
Marius aber nicht mehr fragte. Und zu dem, was er am Tag von Kevins Tod vor der
Schule beobachtet und seither niemandem erzählt hatte.
    Rosemarie Moeller legte das Telefon wieder weg und kam
zurück an den Tisch.
    »Wehling war dran«, sagte sie.
    »Aha, und was will er?«
    »Wir sollen uns nachher mit den Pietschs treffen, uns aussprechen,
und er will den Vermittler machen.«
    »Na, wenn er sich da mal nicht übernimmt«, sagte Franz Moeller und
lächelte dünn.
    Wenige Stunden später saß Rektor Johannes Wehling bereits
im Besprechungsraum und ließ die anderen Teilnehmer der Gesprächsrunde von
einer der Schulsekretärinnen zu sich bringen. Das Ehepaar Pietsch kam fünf
Minuten zu früh, das Ehepaar Moeller war auf die Sekunde genau pünktlich. Die
Sekretärin brachte zwei Tabletts mit Kaffee und italienischen Keksen, dann ging
sie hinaus und zog die Tür leise hinter sich zu.
    »Bedienen Sie sich, bitte«, bot Wehling den beiden Paaren betont
leutselig an und schob ihnen Tassen hin, aber Rosemarie und Franz Moeller saßen
stocksteif und reagierten nicht weiter auf Wehlings Lockerungsübung. Rainer
Pietsch nahm zwei Tassen vom Tablett und schenkte sich und seiner Frau ein.
    »Gut, dass Sie sich alle die Zeit genommen haben für dieses
Gespräch, und ich hoffe, wir kommen heute auch zu einer Einigung – damit die
Arbeit hier an der Schule wieder so ungestört weitergehen kann, wie das für
eine gute pädagogische Arbeit notwendig ist.«
    Wehling begann sehr gespreizt, und er versuchte damit zu
überspielen, dass er nicht recht wusste, wie er das Thema anpacken sollte.
    »Wie Sie, Frau Pietsch, Herr Pietsch«, er nickte den beiden jeweils
zu, »ja schon mehrfach deutlich gemacht haben, sind Sie mit dieser
pädagogischen Arbeit nicht zufrieden oder nicht einverstanden – zumindest,
soweit es Herrn und Frau Moeller betrifft. Habe ich das richtig
zusammengefasst?«
    »Ja«, sagte Rainer Pietsch.
    Die Moellers zeigten keine Regung. Fast bewunderte Rainer Pietsch
ihre stoische Art angesichts der heiklen Situation.
    »Wie Sie ebenfalls aus Gesprächen mit den anderen Eltern

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