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Kinderfrei

Kinderfrei

Titel: Kinderfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Huber
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erwachsen sind, nicht als Individuen mit eigenen Rechten gelten, sondern als »Kapital« der Eltern, auf dessen »Verzinsung« diese einen Anspruch hätten. Das passt zu einem neoliberalen Zeitgeist, der jeden Menschen, jede Lebenssituation, jede Erfahrung rein ökonomisch erfassen will und keinen Platz für andere Bewertungsmaßstäbe lässt.
    Nun, wer bin ich, dass ich mich diesem übermächtig herrschenden Zeitgeist entgegenstellen wollte und könnte? Aber wenn wir schon lupenreine homines oeconomici sein wollen, dann lasst es uns bitte richtig und vor allem konsequent tun – sozial bewegtes Gejammer hin oder her. Zunächst einmal muss, wie gesagt, auch den Eltern behinderter Kinder die Rente gekürzt werden – keine Beitragszahler, keine volle Rente, da können wir leider keine Ausnahme machen. Weiterhin würde ich vorschlagen, dass die Eltern als Kapitaleigner Anspruch auf Zinsen haben, aber auch für etwaige Verluste haften. Das bedeutet: Werden ihre Kinder später tatsächlich einmal Beitragszahler, erhalten die Eltern die volle Rente. Ähnlich einer Dividende sollte zudem ein Bonus gezahlt werden, falls das Kind einmal in einem Beruf arbeitet, in dem es ein besonders hohes Gehalt erhält, also auch dementsprechend hohe Beiträge einzahlt. Umgekehrt wird den Eltern die Rente gekürzt, wenn ihre Kinder später aus irgendwelchen Gründen keine Rentenbeiträge zahlen, und zwar umso drastischer, je mehr die Kinder nicht nur keine Beiträge zahlen, sondern zusätzliche Kosten verursachen, etwa als Arbeitslose oder Straftäter. Auf diese Weise würde nicht nur sichergestellt werden, dass sich die Menschen überhaupt angemessen vermehren, sondern gleichzeitig ein Anreiz geschaffen, die Kinder anständig zu erziehen. Schließlich handeln wir alle nur aus egoistischen Motiven und tun stets nur das, wovon wir uns einen wirtschaftlichen Vorteil, einen Nutzen, versprechen. Willkommen in der schönen neuen Welt des homo oeconomicus !
    Natürlich wissen Hans-Werner Sinn und Konsorten, wie absurd ihre Vorschläge und Behauptungen tatsächlich sind; nur weil sie zweifelhafte Sachen sagen, sind sie schließlich noch lange nicht dumm. Es gibt durchaus handfeste Gründe, für Rentenkürzungen einzutreten und zu fordern, dass die Menschen stattdessen verpflichtet werden sollten zu »riestern«. Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister verdanken der Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 bis dato Milliarden an Umsatzzuwächsen. 37
› Hinweis
Die Finanz- und Versicherungsbranche hatte und hat also ein ziemlich großes Interesse daran, »Expertenmeinungen« in den Medien zu lancieren, die sich für die private Altersvorsorge stark machen – und dass auch die Experten und Journalisten auf die eine oder andere Weise profitieren werden, wenn sie sich willfährig zeigen, versteht sich von selbst. Die Prozesse dieser »Meinungsmache« hat der Nationalökonom und Publizist Albrecht Müller in seinem gleichnamigen Buch recht eindrucksvoll beschrieben. Ist es wirklich Zufall, dass die oben zitierten Aussagen von Hans-Werner Sinn in der Financial Times Deutschland aus dem Jahr 2002 stammen? Mittlerweile genügt es Herrn Sinn allerdings offenbar nicht mehr, nur Kinderlose zur Privatvorsorge zwingen zu wollen. 2008 forderte er, dass Arbeitnehmer generell verpflichtet werden sollten, einen Riester-Renten-Vertrag abzuschließen. Wer die Riester-Rente nicht nutze, sei ein Trittbrettfahrer. 38
› Hinweis
    Abgesehen von den Manipulationen rund um die Einführung der Riester-Rente könnten sowohl Staat als auch Wirtschaft ein ganz anderes und wenig menschenfreundliches Interesse daran haben, Kinderfreie zu diskriminieren. Wer Kinder hat, ist als Arbeitnehmer erpressbarer und neigt aus Angst vor Arbeitslosigkeit womöglich weniger dazu, sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen, Arbeitsüberlastung, Mobbing, Lohndumping etc. zur Wehr zu setzen. Und mit ein bisschen Glück sind Eltern von den vielfältigen Anforderungen, die Familie und ggf. Beruf an sie stellen, so erschöpft, dass sie nicht dazu kommen, allzu viel über Politik nachzudenken, geschweige denn, sich politisch einzumischen.
    Bei alldem fällt allerdings auf, dass es eine Gruppe von Kinderfreien gibt, die von der allgemeinen Verunglimpfung ausgenommen wird: die Mitglieder des katholischen Klerus. Statt diese mitunter aufreizende Zurschaustellung eines kinderfreien Lebensstils gebührend zu geißeln, unterstützt der Staat die Kirche auf vielfältige Weise. Man fragt sich

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