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Kinderfrei

Kinderfrei

Titel: Kinderfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Huber
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sei auch nicht von der »Ewigkeitsklausel« geschützt. Es diene lediglich dazu, einen Missbrauch der Wahlstimme durch Dritte auszuschließen. Mit bewundernswerter Spitzfindigkeit wird argumentiert, die Eltern seien aber nicht Dritte, sondern die gesetzlichen Vertreter ihrer Kinder. Damit spitze sich das Problem auf die Behauptung zu, es sei prinzipiell unzulässig, ein höchstpersönliches Recht von einem Vertreter ausüben zu lassen. Die Höchstpersönlichkeit aber sei nicht prinzipiell vertretungsfeindlich. Als Beispiel wird die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft angeführt, bei der es sich ebenfalls um ein höchstpersönliches Recht handelt. Dennoch ist die Ausübung dieses Rechts durch einen gesetzlichen Vertreter möglich (§ 1596 Abs. 2 BGB). Somit werde in der deutschen Rechtsordnung beim Prinzip der Höchstpersönlichkeit differenziert zwischen einer Vertretung durch Dritte – die unzulässig ist – und einer Vertretung durch den gesetzlichen Vertreter – die zulässig ist. Eine Ausnahme für das aktive Wahlrecht sei nicht ersichtlich, da die Eltern, gebunden durch das Elterngrundrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, verpflichtet seien, dem Kindeswohl zu dienen.
    Nun, mit der gleichen Argumentation könnte man auch die Aushebelung der höchstpersönlichen Natur der Eheschließung begründen und Eltern gestatten, ihre Kinder zwangsweise zu verheiraten – wenn sie es nun mal als das Beste für ihr Kind ansehen, dass es möglichst bald nach Eintritt der Geschlechtsreife »unter die Haube« kommt; selbstverständlich werden sie nach bestem Wissen und Gewissen und »zum Wohl« ihres Kindes den passenden Mann bzw. die passende Frau aussuchen.
    Es ist natürlich zunächst einmal unglaublich naiv, davon auszugehen, alle Eltern würden stets zum Wohle ihres Kindes handeln, nur weil sie dazu eigentlich verpflichtet wären. Das weiß auch der Staat, und deshalb wacht er darüber, dass Eltern ihre Fürsorgepflichten und – rechte tatsächlich zum Wohl des Kindes wahrnehmen, etwa durch Jugendämter und Familiengerichte. So kann das Familiengericht beispielweise gegen den Willen der Eltern die Durchführung einer lebensrettenden medizinischen Behandlung des Kindes anordnen, wenn die Eltern diese – etwa aus religiöser Überzeugung – verweigern. Der Begriff des Kindeswohls ist, bei aller erzieherischen Freiheit, bis zu einem gewissen Grad objektivierbar: Prügel dienen nicht dem Kindeswohl, die Verweigerung notwendiger medizinischer Maßnahmen dient nicht dem Kindeswohl, das Kind nicht in die Schule zu schicken, dient nicht dem Kindeswohl (es gibt nicht ohne Grund eine allgemeine Schulpflicht). Die Zwangsverheiratung eines Kindes dient ebenfalls nicht dem Kindeswohl.
    Eine derartige notwendige Festlegung von gewissen Rahmenbedingungen wäre bei der »stellvertretenden« Ausübung des Wahlrechts nicht möglich, denn wie sollte entschieden werden, welche Wahlentscheidung dem Kindeswohl dient? Das ist schon allein deshalb absurd, weil es bei der Wahl nicht um das mutmaßliche oder tatsächliche »Wohl« des Wählenden geht. Ich habe absolut das Recht, eine Partei zu wählen, deren Programm und Politik, objektiv betrachtet, eigentlich all meinen ureigensten Interessen zuwiderlaufen. Ich habe das Recht, nicht zu wählen, obwohl ich damit die Chancen, dass meine Interessen vertreten werden, verringere. Ob und was ich wähle, ist ein Ausdruck meines politischen Willens, meiner Meinungen, meiner Überzeugungen (oder auch eines Mangels derselben), und die sind zutiefst subjektiv.
    Aber welcher politische Wille, welche Meinung, welche Überzeugung kann denn »in Vertretung« für ein Baby oder ein Kleinkind ausgeübt werden? Wie unschwer zu erkennen ist, würde ein »stellvertretend« durch die Eltern ausgeübtes Wahlrecht des Kindes de facto darauf hinauslaufen, dass Eltern zusätzliche Stimmen erhalten, also auf einen Verstoß gegen das allgemeine und gleiche Wahlrecht.
    Es wäre außerdem auch ein Verrat an den Interessen der Kinder selbst. Wenn die Befürworter eines »Kinderwahlrechts« darauf verweisen, dass ein solches die Interessen von Kindern »endlich« nicht nur angemessen berücksichtigen, sondern sogar »bevorzugen« würde 39
› Hinweis
, dann bleiben sie nicht nur die Antwort auf die Frage schuldig, warum um alles in der Welt die Interessen von Kindern eigentlich bevorzugt werden sollten. Sie unterschlagen auch, dass die Interessen und Meinungen von Kindern (so diese alt genug sind, um überhaupt

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