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Kinderfrei

Kinderfrei

Titel: Kinderfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Huber
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Der Vorschlag eines Kinderwahlrechts von Geburt an, den der Verfassungsrechtler Hans-Herbert von Arnim in seinem Buch Die Deutschlandakte macht, fällt in diese Kategorie.
    Die Bundesrepublik Deutschland ist, so will es unser Grundgesetz, ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG), in dem alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 GG). Art. 38 Abs. 1 GG sieht vor, dass unsere Volksvertreter, die Abgeordneten des Bundestags, in »allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl« gewählt werden. Dieses Recht auf allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen ist, als zentrales Merkmal einer Demokratie, konkreter Ausdruck des in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegten Demokratieprinzips und als solches ebenfalls durch die sogenannte »Ewigkeitsklausel« in Art. 79 Abs. 3 GG geschützt.
    Die Befürworter eines Kinderwahlrechts von Geburt an behaupten nun, die Tatsache, dass Personen unter 18 Jahren von der Wahlberechtigung ausgeschlossen sind (Art. 38 Abs. 2 GG), stelle einen Verstoß gegen die Allgemeinheit der Wahl dar. Nun kann man zwar grundsätzlich über eine Herabsetzung des Wahlalters diskutieren, die Idee eines Wahlrechts von Geburt an ist jedoch schlicht lächerlich. Ebenso wenig, wie die von Geburt an bestehende Rechtsfähigkeit des Menschen, also die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, die zur Teilnahme am Rechtsverkehr erforderliche Geschäftsfähigkeit einschließt, berechtigt sie automatisch zur Teilnahme an Wahlen. Um die dem jeweiligen Sachverhalt angemessene Regelung zu treffen, darf der Gesetzgeber Alterserfordernisse festsetzen. Denn wer wählt, muss zumindest theoretisch in der Lage sein, sich ein Urteil zu bilden und die Tragweite und Bedeutung des Wahlaktes zu erkennen. Diese Voraussetzung erfüllen Kinder, insbesondere Säuglinge und Kleinkinder, grundsätzlich nicht. Dieses Problem versuchen die Verfechter eines Kinderwahlrechts dadurch zu umgehen, dass sie das Wahlrecht der Kinder durch deren gesetzliche Vertreter, in aller Regel also die Eltern, ausüben lassen wollen.
    Dies ist jedoch mit der höchstpersönlichen Natur des Wahlrechts unvereinbar und stellt vor allem, wie wir gleich sehen werden, einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der gleichen Wahl dar. Dieses Problem scheint Herr von Arnim allerdings nicht zu sehen, mit der ebenso lapidaren wie seltsamen Begründung, Eltern stünde schließlich auch die Vermögenssorge für ihre minderjährigen Kinder zu. Zugegebenermaßen ist Hans-Herbert von Arnim nicht der Erste und nicht der Einzige, der diese Vorstellung vertritt. Auch Elternlobbies wie der Deutsche Familienverband machen sich für ein Kinderwahlrecht stark, und 2005 wurde fraktionsübergreifend ein Antrag auf entsprechende Änderung des Wahlrechts im Bundestag eingebracht.
    Es ist allerdings eine Sache, wenn Lobbyisten versuchen, unsere Rechtsordnung so zu verdrehen, zu stauchen, zu verstümmeln und zu treten, bis sie endlich in die Mülltonne ihrer egoistischen Interessen passt; das ist gewissermaßen die Stellenbeschreibung eines Lobbyisten. Etwas ganz anderes ist es, wenn sich ein renommierter Verfassungsrechtler mal eben ganz nonchalant für eine Aufhebung des gleichen Wahlrechts ausspricht und damit eine Rückkehr in vordemokratische Zeiten befürwortet. Denn genau darauf läuft dieser Vorschlag hinaus: Eltern würden faktisch mehr Stimmen erhalten als andere Bürger, ebenso wie sich im preußischen Drei-Klassen-Wahlrecht die Anzahl der Stimmen, welche die (obendrein ohnehin nur männlichen) Wahlberechtigten besaßen, nach der Steuerleistung, also dem Vermögen, richtete.
    Das sogenannte »Kinderwahlrecht« ist in Wahrheit nichts anderes als ein besonderes Elternwahlrecht und damit verfassungswidrig. Das wissen natürlich auch die Befürworter, und genau das ist der Grund dafür, dass sie es nicht als »Elternwahlrecht«, sondern als »Kinderwahlrecht« verkaufen. Sie könnten es allerdings genauso gut als »Schwarzwälder Kirschtorte« bezeichnen, denn der Name ändert nichts an den Tatsachen, die sich dahinter verbergen.
    Da gibt es zunächst einmal das winzige Problem, dass das Wahlrecht, ebenso wie etwa das Recht auf Eheschließung, ein sogenanntes »höchstpersönliches« Recht ist, also nicht in Vertretung ausgeübt werden kann (§ 14 Abs. 4 Bundeswahlgesetz). Dem entgegnen die Befürworter eines durch Eltern ausgeübten Kinderwahlrechts, das Prinzip der Höchstpersönlichkeit habe keinen absoluten Gehalt und

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