Kinderfrei
»ökologisch korrekt« halten, sollten Sie sich einmal den Spaß machen und Ihren Ökologischen Fußabdruck ausrechnen. Sie werden überrascht sein. Allein aufgrund der schieren Anzahl der Menschen, die sich die Biokapazität dieses Planeten teilen müssen, müsste man schon ein strenger Veganer sein, der sich nur zu Fuß und mit dem Fahrrad fortbewegt, ausschließlich Biogemüse aus regionalem Anbau isst, in einem supereffizienten Energiesparhaus lebt und seinen Konsum an Büchern, Zeitschriften, Kleidung, Mobiliar und Elektrogeräten praktisch auf Null reduziert hat, um einen Lebensstil zu pflegen, der, wenn alle Menschen so leben würden, tatsächlich nicht mehr als einen Planeten Erde verbraucht. Dabei ist beispielsweise der enorme Verbrauch von Wasser für die Erzeugung von Nahrungsmitteln und sonstigen Gütern und Dienstleistungen noch nicht einmal berücksichtigt. Allein für die Produktion und den Transport einer einzigen Tasse Kaffee werden 140 Liter Wasser benötigt.
Nun kann durch innovative Technologie (etwa zur Effizienzsteigerung oder zur Reduzierung von Emissionen), bestimmte städtebauliche Maßnahmen und Änderungen des Lebensstils (z. B. weniger Fleischkonsum, regionale und saisonale Ernährung) usw. der Ökologische Fußabdruck reduziert werden, ohne dass es hierdurch zwangsläufig zu einer Absenkung des Lebensstandards kommt. Doch alle Maßnahmen und auch die effizienteste Technologie laufen ins Leere, wenn sich gleichzeitig durch mehr Verbraucher der Gesamtfußabdruck wieder erhöht. Auch muss ein hoher Entwicklungsstand – definiert als ein Zustand, in dem die Menschen die Möglichkeit haben, ihr Potenzial auszuschöpfen und ein produktives, kreatives Leben entsprechend ihren Bedürfnissen und Interessen zu führen – ausgedrückt durch einen HDI-Wert von mindestens 0,8 (HDI = Human Development Index) – nicht zwangsläufig mit einem hohen Konsum einhergehen. So hat Peru beispielsweise einen Pro-Kopf-Fußabdruck von knapp 1,5 gha und einen HDI-Wert von 0,806. Damit ist Peru übrigens das einzige Land, das die Mindestanforderungen für nachhaltige Entwicklung erfüllt. Letztere wird definiert als Entwicklung, welche die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Ein HDI von 0,8 markiert die untere Grenze für das Erfüllen der Bedürfnisse der heutigen Generation, während ein Ökologischer Fußabdruck von <1,8 gha derzeit den Schwellenwert für ein Leben innerhalb der ökologischen Kapazität der Erde markiert, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen aufs Spiel zu setzen. 77
› Hinweis
Je mehr jedoch die Bevölkerung wächst, desto schwieriger wird es, einen Interessensausgleich zwischen den Bedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen zu finden. Irgendwann ist eine Verbrauchsgrenze erreicht, unterhalb derer eine angemessene Bedürfnisbefriedigung nicht mehr möglich ist. Und irgendwann wird es auch mit einem noch so geringen Verbrauch schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die Grenzen der Biokapazität einzuhalten. Das zeigt sich besonders drastisch in den Niedrigeinkommensländern. Die Bevölkerung dieser Länder hat sich zwischen 1961 und 2005 nahezu verdreifacht, was dazu geführt hat, dass die pro Kopf verfügbare Biokapazität ebenfalls um beinahe 300% zurückgegangen ist: von 2,4 gha pro Person auf 0,9 gha pro Person. Gleichzeitig ist dies die einzige Ländergruppe, in der sich der Ökologische Fußabdruck pro Person seit 1961 nicht vergrößert, sondern verkleinert hat: von 1,3 gha pro Person auf 1,0 gha pro Person. 78
› Hinweis
Trotz der erbärmlichen Unterversorgung, die sich in diesem geringen Verbrauch widerspiegelt, wird also die lokale Biokapazität übernutzt.
Dabei ist eines noch nicht berücksichtigt: Die tatsächliche Situation in den Berechnungen zum Ökologischen Fußabdruck wird keineswegs dramatischer dargestellt, als sie ist, sondern im Gegenteil eher beschönigt. Dies wird sofort deutlich, wenn man sich vor Augen führt, was im Ökologischen Fußabdruck alles nicht oder nur indirekt erfasst wird:
Soziale und wirtschaftliche Dimensionen: Der Ökologische Fußabdruck macht keine Aussagen zu sozialen und wirtschaftlichen Aspekten der Nachhaltigkeit. Mit anderen Worten fließen ökonomische Kosten und soziale Folgen der Überbeanspruchung unserer natürlichen Ressourcen wie z. B. bewaffnete Konflikte oder Migrationsbewegungen nicht in das
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