Kinderfrei
Einkommensskala), läge die auf Dauer maximal tragbare Größe der Weltbevölkerung bei 3,6 Milliarden Menschen. Diese Rechnung enthält jedoch weder Flächen für den Erhalt von Biodiversität noch Raum für eine Verschlechterung der Biokapazität. Zieht man etwa 12% für den Erhalt der Biodiversität ab, so sinkt die maximal tragbare Bevölkerung auf 3,2 Milliarden. Die Anzahl der Menschen, die allein mit erneuerbaren Energien auf einem akzeptablen Lebensstandard versorgt werden könnte 79
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, wird sogar nur auf circa 2 Milliarden geschätzt. 80
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Dem gegenüber, wir erinnern uns, steht die ohnehin optimistische Prognose der UN von 9,1 Milliarden Menschen im Jahr 2050. Optimistisch deshalb, weil sie von einem Rückgang der Geburtenrate von derzeit durchschnittlich 2,56 Kindern auf 2,02 Kinder pro Frau ausgeht. Aber Prognosen sind naturgemäß nun mal keine Tatsachenberichte, sondern Modellberechnungen auf der Grundlage bestimmter Annahmen, die sich nicht zwangsläufig erfüllen müssen. In diesem Fall lautet die Prämisse, dass der in den letzten Jahren verzeichnete Rückgang der Geburtenrate anhält und die Geburtenrate weltweit innerhalb der nächsten 50 Jahre weiter kontinuierlich sinkt. Angesichts des langen Prognosezeitraums, der Tatsache, dass weltweit Millionen Paare keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, dass in vielen Ländern Frauen immer noch kein Recht haben, selbst über ihre Sexualität und Fruchtbarkeit zu entscheiden, und dass die verschiedenen kulturell bedingten Vorstellungen von der wünschenswerten Größe einer Familie weit auseinanderklaffen, scheint die Annahme nicht sehr realistisch zu sein. Schon gar nicht, wenn die UNO, Regierungen und NGOs weltweit nichts für einen Geburtenrückgang tun. Hallo, aufwachen! Jetzt gilt es mehr denn je, Aufklärung zu betreiben und sich für bessere Gesundheitsversorgung und Zugang zu Familienplanung einzusetzen. Nach Kräften muss dafür gesorgt werden, dass der Rückgang der Geburtenraten nicht stagniert oder sich gar umkehrt, sondern sich im Gegenteil noch beschleunigt. Nur so besteht eine wirkliche Chance, dass die Weltbevölkerung 2050 nicht mehr als 8 Milliarden erreicht und dann langsam wieder sinkt.
Vielleicht halten Sie das alles für reine Panikmache. Schließlich hat es schon zu allen Zeiten Menschen gegeben, die die unmittelbar bevorstehende Apokalypse angekündigt haben, und die Welt existiert immer noch. Gerade wenn es um Angstzustände angesichts des Bevölkerungswachstums geht, wird gerne mit dem Verweis auf Malthus argumentiert, der sich – wie konnte es anders sein – auch geirrt habe.
Der britische Mathematiker Thomas Malthus vertrat Ende des 18. Jahrhunderts die These, dass mit der damals lebenden Anzahl von knapp einer Milliarde Menschen die Tragfähigkeit der Erde schon erreicht sei. Seinem 1798 veröffentlichten »Bevölkerungsgesetz« zufolge steigt die Bevölkerung, wenn keine Hemmnisse auftreten, in geometrischer Reihe, d. h. exponentiell, an. Die Nahrungsmittelproduktion wachse jedoch nur in arithmetischer Reihe, d. h. linear, weshalb sich auf Dauer bei steigender Bevölkerungszahl eine Schere zwischen Nahrungsmittelbedarf und Nahrungsmittelangebot öffne (sogenannte »Bevölkerungsfalle«). Allerdings hat der alte Bedenkenträger Malthus vergessen, die Möglichkeit technischen Fortschritts zu berücksichtigen, durch den der Nahrungsmittelertrag ebenfalls potenziell gesteigert wer- den könnte – wie es ja in der Tat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschehen ist: Mechanisierung der Landwirtschaft und massiver Einsatz von Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln sorgten dafür, dass sich die Nahrungsmittelproduktion seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis Mitte der 1990er-Jahre verdreifachte. Damit hat die Ertragssteigerung nicht nur mit dem Bevölkerungswachstum Schritt gehalten, sondern dieses sogar überholt, sodass eine bisher ungeahnte Menge von Menschen ernährt werden konnte. Deshalb gilt Malthus seinen Gegnern als von der Geschichte endgültig widerlegt. Da kann man nur sagen: »Schön wär’s!«
Der steile Anstieg der Ernteerträge hat Mitte der 1980er-Jahre ein Ende gefunden. Seitdem wurde die Ertragskurve zunehmend flacher; die Steigerung konnte nicht mehr mit dem Bevölkerungswachstum mithalten. Die Anzahl der hungernden Menschen fiel zwischen 1970 und Mitte der 1990er-Jahre von 878 Millionen auf 825 Millionen leicht ab, doch seitdem ist sie kontinuierlich gestiegen und betrug
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