Kinderfrei
oder Müttern vor und nach der Geburt Gelder aus der Sozialversicherung zur Verfügung zu stellen, so wird dadurch die Freiheit dieser Staaten berührt, ihre Mittel zu ihren eigenen Zwecken zu verwenden. 102
› Hinweis
Oder nehmen wir den Extremfall an: Das Recht auf Familiengründung, sofern es als Recht zu unbegrenzter Fortpflanzung verstanden wird, steht in jedem begrenzten Gebiet (ob es sich um einen einzelnen Staat handelt oder die Erde als Ganzes) im Konflikt zu dem Recht, sich frei fortzubewegen und seinen Wohnort frei zu wählen, da rein physisch niemals zwei Personen gleichzeitig denselben Raum einnehmen können. 103
› Hinweis
In einer begrenzten Welt mit begrenzten Ressourcen wird das Recht jedes Menschen auf Nahrung, auf angemessenen Lebensstandard und eine kontinuierliche Verbesserung der Lebensbedingungen durch jeden weiteren hinzukommenden Menschen, der die gleichen Rechte hat, eingeschränkt. Gleichermaßen wird es für den Staat mit stets wachsender Bevölkerung zunehmend schwerer, produktive Vollbeschäftigung zu garantieren oder seine Pflichten aus der Kinderrechtskonvention zu erfüllen, sodass wiederum die Rechte jedes einzelnen Kindes durch die gleichen Rechte jedes weiteren Kindes beschnitten werden. Und schließlich steht das Recht auf Familiengründung, interpretiert und gelebt als Recht auf unbegrenzte Fortpflanzung, in diametralem Gegensatz zu den Zielen des Arten- und Naturschutzes, weil Lebensräume anderer Arten menschlichen Behausungen, Straßen, Ackerflächen, Industrieanlagen, Müllhalden oder dem Hunger nach Rohstoffen weichen müssen. Wie sehr das Bevölkerungswachstum zu einer gnadenlosen Verdrängung anderer Arten geführt hat, verdeutlicht folgende beängstigende Zahl: Vor 10 000 Jahren machten Menschen und die von ihnen domestizierten Tiere, einschließlich der Tiere, die der Nahrungsproduktion dienten wie Rinder, 0,1% der Säugetierbiomasse der Welt aus. Zu Beginn der Industriellen Revolution waren es 10–12%. Heute sind es unglaubliche 96–98%. Alle Wildtiere zusammengenommen machen also nicht mehr als 2–4% der Biomasse aller Säugetiere der Welt aus. 104
› Hinweis
Diese Liste der Konfliktpunkte ist bei Weitem nicht vollständig, doch bereits diese wenigen Beispiele zeigen eindrucksvoll, dass es ein Recht auf unbegrenzte Fortpflanzung nicht geben kann, da einem solchen zahlreiche andere und auch höherrangige Rechte und Interessen entgegenstehen. Unmissverständlich bringen sie vor allem eines zum Ausdruck: Der Akt der Fortpflanzung ist mitnichten rein privater Natur. Im Gegenteil, es gibt wohl keine andere Handlung von Privatpersonen, die so weitreichende Konsequenzen hat – Konsequenzen, die weit über die Privatsphäre der Eltern hinausreichen. Fortpflanzung ist eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses und daher mit bestimmten einschränkenden Pflichten gegenüber der Gesellschaft verbunden. Denn je mehr Menschen um Ressourcen wie Nahrung und Wasser, um Wohnraum, um Zugang zu Bildung, um Arbeitsplätze, um soziale Sicherung etc. konkurrieren, desto weniger steht dem Einzelnen zur Verfügung. Je mehr Menschen es gibt, die ihre Rechte ausüben, desto stärker beschränken sich all diese Menschen gegenseitig in der Ausübung ihrer Rechte. Dies führt in der Praxis entweder dazu, dass die Rechte mancher zugunsten der Rechte anderer beschnitten werden, oder dass die Rechte aller in gleichem Ausmaß mehr und mehr eingeschränkt werden. In beiden Fällen sind soziale Spannungen und Konflikte vorprogrammiert. Unter diesem Aspekt hat eine Gesellschaft, wie der US-amerikanische Jurist Carter Dillard zu Recht feststellt, durchaus ein legitimes Interesse daran, eine optimale Obergrenze für ihre Bevölkerungsgröße festzulegen – »diejenige Obergrenze, innerhalb derer eine Gesellschaft mit begrenztem Raum und begrenzten Ressourcen die Verpflichtung, das Allgemeinwohl zu optimieren, die sie ihren Mitgliedern schuldet und von der ihre Legitimation abhängt, erfolgreich erfüllen kann« 105
› Hinweis
. Dillard weist zudem auf einen weiteren Umstand hin, der an sich schon die Vorstellung eines Rechts auf unbeschränkte Fortpflanzung, auf welcher Rechtsgrundlage auch immer, ad absurdum führt. Wenn wir uns heute ein derartiges Recht herausnehmen, dann bedeutet das zwangsläufig, dass wir zukünftigen Generationen dieses Recht vorenthalten, da unser Planet und seine Ressourcen nun einmal nicht unendlich sind und mithin auch kein unendliches Bevölkerungswachstum
Weitere Kostenlose Bücher