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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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glauben, daß wir uns immer lieben könnten. Aber jetzt ist das anders. Du gehst zurück nach Indien – und ich soll hierbleiben und ein Kind haben. Überleg doch mal den Unsinn. Ich bin zweiundzwanzig Jahre, ich will noch was vom Leben haben, ich will auch mal heiraten – und dann ist immer das Kind da –«
    »Ein braunes Kind –«, sagte Sandru bitter.
    »Auch das noch, ja.«
    »Ein weißes Kind wäre kein Hindernis.«
    »Vielleicht nicht.« Karin warf die Beine von der Sessellehne und sprang auf. »Ich sehe, du begreifst es nicht. Eure Mentalität ist anders.«
    »Für uns ist ein Mensch nur ein Mensch.«
    »Aber bei uns ist ein Mensch mit einem dunklen Kind etwas, was man mit der Zange anfaßt. Die Leute sind eben so, ich kann sie nicht ändern. Aber ich muß mit ihnen leben, und deshalb kann ich das Kind nicht bekommen.« Sie kam auf Sandru zu und sah ihn fordernd an. »Es ist für dich eine Kleinigkeit –«
    »Nein!« sagte Dr. Petschawar. »Meine Religion –«
    »Deine Religion!« schrie Karin plötzlich unbeherrscht. »Deine Götter! Was kümmern mich deine Götzen? Ein Kind bekomme ich! Und ich will es nicht! Du –« Sie senkte den Kopf und sah ihn von unten her an. Ihre Lippen waren zusammengezogen und gekräuselt. »Wenn ich sage, daß du mich überfallen hast … daß du mich gezwungen hast … daß ich nie, nie wollte, aber du bist wie ein wildes Tier über mich hergefallen – was glaubst du, was man mit dir machen wird –?«
    »Nix glauben –«, antwortete Sandru steif.
    »O doch! Man glaubt es doch! Wenn ich schwöre –«
    »Du gemein –« Dr. Petschawar nahm seinen Mantel von der Stuhllehne, über die er ihn geworfen hatte. Karin schnellte an ihm vorbei und stellte sich ihm in den Weg.
    »Du willst gehen, was? Du willst einfach gehen?!« schrie sie schrill. »Erst große Liebe spielen und dann kneifen! Und ich kriege das Kind! Aber so ist das ja immer … den Männern passiert ja nichts! Nur wir Frauen müssen uns dann herumplagen, weil wir glaubten, ein paar Minuten glücklich zu sein! Du bleibst! Du sorgst dafür, daß das Kind nicht zur Welt kommt.«
    »Nein!«
    »Ich zeige dich an! Ich … ich …« Sie hob die Fäuste und trommelte gegen Sandrus Brust. Wut und Angst verzerrten ihr Gesicht. »Du Feigling! Du Schwächling! Du … du Schwarzer!«
    Dr. Petschawar atmete tief auf. Dann nahm er Karin an der Schulter, schleuderte sie in das Zimmer zurück und verließ wortlos die kleine Wohnung. Hinter sich hörte er, wie sie eine Vase gegen die zuschlagende Tür warf, wie sie unverständliche Worte schrie und dabei aufstampfte.
    Ich werde mit Professor Karchow sprechen, dachte er, als er die Treppe hinunterstieg. Morgen früh gleich werde ich es ihm sagen. Ich habe nichts Unrechtes getan. Ich habe nur ein Mädchen geliebt. Oder dürfen nur die Weißen lieben …?
    Zu Fuß machte er sich auf den Heimweg. Er hatte über eine Stunde zu laufen bis zu seinem möblierten Zimmer. Und er hatte Zeit genug, dabei darüber nachzudenken, wie man sich verhalten müsse, wenn Karin ihn wirklich anzeigte.
    Ich bin in Deutschland, dachte er. Hier gibt es keinen Rassenhaß mehr. Hier sind alle Menschen gleich. Und hier ist die Wahrheit wirklich noch wahr.
    Es ist merkwürdig, wie ungenau die Völker den deutschen Charakter sehen –
    Sandru Petschawar sprach nicht mit Professor Karchow. Der Chef war auf einen Kongreß gefahren. Einen Tag später sagte sich Sandru, daß ein Geständnis doch nur einige sarkastische Bemerkungen Karchows hervorlocken würde, die dann in dem Satz gipfeln würden: »Mein lieber Petschawar, Sie sehen daran, daß Farbe keine Rolle spielt – Fleisch bleibt Fleisch. Und die Art der Zeugung ist rassisch auch gleichbleibend. Kümmern Sie sich mal um die deutschen Alimentenbestimmungen –«
    Dr. Wollenreiter dagegen hatte einen wilden Kampf zu bestehen. Sein Gegner war der Nachtwächter Hubert Bramcke, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, das Findelkind Maria Ignotus zu adoptieren. Er kam mit einem schweren Geschütz zu Wollenreiter, mit der Abschrift eines Antrages an das Jugendamt.
    »Die Sache läuft«, sagte Bramcke befriedigt. »Meine Olle ist ganz närrisch auf das Kind. Wer hätte das gedacht?«
    Wollenreiter sank auf einen Stuhl und las den Antrag. »Das lasse ich nicht zu«, sagte er und warf die Briefkopie auf die Erde. »Bramcke, Sie alter Querkopf, das Kind erlebt ja nie bei Ihnen die sogenannte ›Nestwärme‹.«
    »Warum denn nicht?«
    »Sie sind zu alt!« schrie

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