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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beschlagnahmte.
    »Auch gut«, sagte Kallenbach. »Ich habe Zeit. Einmal kommt die Wahrheit ans Licht. Solange ich hier sitze, spare ich 'ne Menge Geld.«
    Dr. Wollenreiter unterrichtete Staatsanwalt Dr. Allach von der Reise Prof. Karchows und fügte dann hinzu: »Eine rein private Frage, Herr Staatsanwalt: Wie ist die Rechtslage bei einem Findelkind in unserer Klinik? Finden noch Ermittlungen nach den Eltern bzw. nach der Mutter statt?«
    »Aber ja. Warum?«
    »Solange Ermittlungen sind, ist doch eine Adoption nicht möglich?«
    »Nein. Es besteht ja die Möglichkeit, die leiblichen Eltern zu finden. Erst wenn wir von der Aussichtslosigkeit überzeugt sind, geben wir das Kind frei.«
    Dr. Wollenreiter atmete auf. Sein Gesicht wurde rot vor Freude. »Es ist also im Augenblick noch gesperrt – wenn man so sagen darf?«
    »Ja.«
    »Und wie lange etwa noch?«
    »Das ist nicht zu sagen.« Dr. Allach hob die Schultern. »Es liegt an den Ermittlungsbehörden. Warum interessiert Sie das so, Doktor?«
    »Es haben sich bei uns schon Adoptiveltern gefunden.«
    »Abwimmeln, Doktor.« Dr. Allach lächelte. »Ist tatsächlich die Menschenfreundlichkeit so groß?«
    »Ja. Zwei ernsthafte Bewerber haben sich schon in den Haaren.«
    »Sie sollen ihre Frisuren schonen.« Der Staatsanwalt lachte. »Mit einem Jahr müssen Sie rechnen, Doktor. Die Amtswege sind genau … aber lang.«
    »Ein Jahr noch. Danke.« Dr. Wollenreiter war tief befriedigt. In einem Jahr – so hoffte er – konnte er neben seinem Gehalt, seiner Wohnung und seiner Vaterliebe auch eine Mutter liefern. Es mußte sich doch möglich machen lassen, innerhalb eines Jahres die Richtige zu heiraten.
    Bei Dr. Julius saßen in diesen Tagen auch die Eltern der Vierlinge, Erna und Philipp Lehmmacher. Sie hatten – durch eine Glasscheibe – ihre vier Kinder besichtigt. Sie lagen noch immer in zwei Inkubatoren, wurden beatmet und mit Sonden ernährt und gediehen prächtig, wie Dr. Julius versicherte. Für Philipp Lehmmacher allerdings war kein Fortschritt sichtbar. Ihm kamen seine vier Kinder noch immer wie vier abgezogene Hasen vor.
    Vor allem die beiden Siamesen interessierten ihn. »Werden sie durchkommen, Herr Oberarzt?« fragte er, nachdem die Inkubatoren von Dr. Petschawar wieder weggerollt worden waren. »An diesen beiden Kleinen hängt unser Herz besonders. Sie wissen ja … das Leid verstärkt die Liebe.«
    Das war schön gesagt. Philipp Lehmmacher hatte diesen Satz einmal in einem Roman von Stefan Doerner gelesen und ihn für nützlich befunden, als eigener Aphorismus zu dienen. Seitdem sagte er diese Schmalzweisheit zu jeder Gelegenheit und hatte immer einen Achtungserfolg. Die Leute nickten und bekamen elegische Augen.
    Auch Dr. Julius nickte, was Lehmmacher sehr befriedigte.
    »Die beiden sind sehr kräftig. Wir haben alle Hoffnung, sie in vielleicht eineinhalb Jahren trennen zu können.«
    Philipp Lehmmacher sah schnell seine Frau Erna an. »Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen, Herr Oberarzt.« Er räusperte sich und suchte nach Worten, die überzeugend klingen sollten. »Erna, das ist meine Frau, und ich haben uns durchgerungen« – durchgerungen ist gut, dachte er; das wirkt, das zeigt echte Seelenqual –, »die lieben Kleinen nicht trennen zu lassen.«
    Dr. Julius war einen Augenblick sprachlos. Dann schüttelte er den Kopf. »Das ist doch unmöglich!«
    »Wieso denn, Herr Doktor?« fragte Erna Lehmmacher.
    »Wenn die Kinder größer werden, können sie nur in Schräghaltung gehen –«
    »Daran gewöhnen sie sich sicherlich«, meinte Philipp Lehmmacher treuherzig.
    »Es sind zwei lebensfähige Mädchen. Jeder ihrer Körper hat seine volle Funktion, nur an den Köpfen sind sie miteinander gefesselt. Das Leben wird ihnen später, je älter sie werden, zur Hölle. Überlegen Sie doch: Immer aneinander, nie ausgehen können, nie tanzen, keines der Mädchen kann sich verlieben, bei den einfachsten täglichen Dingen, bei der Notdurft etwa, muß die andere immer mit, ist eine krank, muß die andere, gesunde, mit im Bett liegen … und das sind alles Kleinigkeiten gegen das, was ihr Zusammengewachsensein an Qualen im täglichen Leben bringt. Eine Trennung ist hier nicht nur notwendig, sondern absolut lebenswichtig.«
    »Aber wir müssen sie genehmigen?«
    »Ja.«
    »Ich sage nein.« Philipp Lehmmacher sah an Dr. Julius vorbei. »Ich will es nicht mehr.«
    »Aber warum denn nicht, um Himmels willen?!« rief Dr. Julius.
    »Aus Angst. Können Sie garantieren,

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