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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wollenreiter.
    »Wie ich mich fühle, werde ich hundert.«
    »Hoffen Sie nicht darauf, daß Alkohol konserviert.«
    Hubert Bramcke nahm den Brief vom Boden und steckte ihn wieder ein.
    »Sie sind Arzt, weiter nichts«, sagte er hoheitsvoll. »Sie haben sich um die Kranken zu kümmern. Das hier ist eine Sache des Herzens. Das entscheiden andere als Sie. Ich werde mit Ihnen nicht mehr darüber sprechen. Ich möchte Maria sehen.«
    »Nein«, sagte Wollenreiter verbissen.
    »Sie lassen mich nicht zu meinem Kind?«
    »Ihr Kind!« Wollenreiter lachte schrill. »Bramcke, schnallen sie ab. Ich bin Pate von Maria. Und ich bestimme mit, in wessen Hände es kommt.«
    »Abwarten.« Nachtwächter Bramcke strahlte große Siegesgewißheit aus. »Und nun möchte ich –«
    »Mein Patenkind ist noch auf Isolierstation«, sagte Wollenreiter.
    »Ach. Noch immer Lungenentzündung?«
    »Ja.«
    »Was ist das für eine Mistklinik, die nicht einmal eine dumme Lungenentzündung heilen kann?« schrie Bramcke. »Drei Wochen liegt das Kind auf Isolierstation! Gibt es denn kein Penicillin mehr?!«
    »Sie hätten Arzt werden sollen, Bramcke«, sagte Wollenreiter giftig. »Dann könnten wir das Problem der Überbevölkerung schnell lösen –«
    »Wer kümmert sich um Maria?!«
    »Ich.«
    »Das ist ja Mord.« Bramcke sank auf einen Stuhl und stützte den Kopf in beide Hände. »Aber ich bin ja nur ein armer Nachtwächter, und das Kind ist ein ausgesetztes Würmchen. Wohlfahrtssatz. Massenbehandlung. Selbst der Löffel Rizinus wird noch verdünnt für Kassenpatienten –«
    So ging es über eine Stunde, bis Bramcke endlich ging, ohne Maria Ignotus gesehen zu haben. Er drohte fürchterlich, aber Dr. Wollenreiter war wie ein Erzengel, der das Paradies bewachte. Viel mehr als die Auseinandersetzung mit Bramcke beschäftigte und ängstigte ihn der Antrag, den der Nachtwächter eingereicht hatte. Es war logisch, daß jede Behörde ein offenes Ohr hatte, wenn es darum ging, Gelder einzusparen. Blieb das Kind unadoptiert, so mußte der Staat für alle Lasten aufkommen … Ernährung, Kleidung, Krankenkosten, Ausbildung, ein Katalog von Ausgaben und Verpflichtungen, die bei einer Adoption mit einem Federstrich an die neuen Eltern übergingen und den Sozialfonds entlasteten. Kein Wunder, daß Adoptionsanträge bevorzugt und wohlwollend bearbeitet wurden.
    Dr. Wollenreiter kam ein Besuch von Staatsanwalt Allach entgegen, der in der Klinik erschien in Unwissenheit der Reise Prof. Karchows. Da Oberarzt Dr. Julius operierte, übernahm es Dr. Wollenreiter, den Staatsanwalt von der Abwesenheit des Chefs zu unterrichten.
    Allach kam mit erfreulichen Nachrichten. Er hatte es mit allen juristischen Kniffen so hingebogen, daß die Ermittlungen im Falle Kallenbach sich noch lange hinzogen und die Staatsanwaltschaft erst einmal drei Gutachten abwartete, die sich mit dem Rätsel der interstitiellen plasmazellulären Pneumonie beschäftigten. Es war zu erwarten, daß die Gutachten so wissenschaftlich und unverständlich ausfielen, daß die Richter sich überfordert sahen und das Verfahren gegen Prof. Karchow – falls es überhaupt eröffnet wurde – einstellten.
    Peter Kallenbach saß unterdessen im Untersuchungsgefängnis und schrieb seine Memoiren.
    Zuerst lächelte man darüber und gab ihm Papier und Tinte mit dem Hinweis, die Tinte nicht zu saufen und auf das Papier keine unanständigen Zeichnungen zu malen, später, als sich die Seiten füllten, wurde er von dem Kalfaktor mit »Guten Morgen, Herr Goethe« begrüßt … aber als der Gefängnisdirektor die ersten fünfzig Seiten gelesen hatte, wurde man verlegen und rief Staatsanwalt Dr. Allach herbei.
    Was Kallenbach da niederschrieb, war nicht bloß sein eigenes unwichtiges Leben, sondern eine Anklage gegen die Medizin von heute. Mit ungelenken Worten schilderte er Irrtümer im Labor und im OP, Fehldiagnosen von bekannten Ärzten und Dinge hinter den Kulissen der großen Krankenhäuser, die Dr. Allach zu dem Ausruf nötigten:
    »Himmel noch mal, wenn das veröffentlicht wird, wird es gemeingefährlich! Das ganze Vertrauen zum Arzt geht ja in die Binsen!«
    »Wer will Kallenbach hindern, seine Memoiren zu schreiben?« wandte der Gefängnisdirektor ein.
    »Niemand. Aber wir werden verhindern, daß die Memoiren schnell an die Öffentlichkeit kommen.«
    Die Staatsanwaltschaft fand dann auch einen legalen Weg: Kallenbach schilderte Erlebnisse im Gefängnis, die man als tendenziös bezeichnete und die Papiere vorerst

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