Kinderstation
und Karin, die uralte, rätselhafte Abwehr des Weißen gegenüber dem Farbigen.
»Du –«, sagte Karin. Ihre Stimme war belegt, als sei sie stark erkältet. »Du, Sandru … ich bekomme ein Kind –«
Dr. Petschawar sah kurz hoch. »Von wem?« fragte er dann.
»Für diese Frage sollte ich dir eine runterhauen!«
»Aber Liebling –« Sandru erhob sich und drehte die Musik etwas leiser. »So etwas habe ich erwartet. Wir werden heiraten und zurück nach Kalkutta gehen.«
»Ich nach Indien? Nie!«
»Aber ich bin doch in Deutschland nur, um lernen. In vier Monaten ist vorbei.«
»Dann lasse dich in der Klinik anstellen.«
»Bei Karchow? No, my Darling! Eher bei Teufel.«
»Gut, dann da. Kinderärzte sind gesucht.« Sie kam näher und setzte sich auf die Sessellehne. »Wieso hast du eigentlich so etwas erwartet?«
Sandru lächelte breit. »Du groß in Leidenschaft. Wunderbares Mädchen –«
Es war, als streiche eine eisige Hand über Karins Rücken. Sie zog die Schultern hoch und zog den Kopf ein. Mein Gott, was ist aus dieser Liebe geworden, dachte sie. Sandru war nicht der erste Mann in ihrem Leben, o nein … da gab es vorher noch ein paar lustige Assistenzärzte, sogenannte Durchgangsliebschaften, die so lange hielten, wie die fröhlichen Burschen auf Station waren. Aber als Dr. Petschawar kam, umweht vom Zauber einer fernen Welt, ein Brahmane, ein Stück aus 1001 Nacht, lebendgewordenes Kinobild, da hatte Karin geglaubt, nun sei die wirkliche Liebe in ihr Leben getreten. Ein halbes Jahr war nun seit der ersten Begegnung vergangen, man kannte sich zu gut, man vergrub sich in der Illusion der Liebe, aber wenn Karin vor Sandru aufwachte und sah ihren weißen Körper neben seiner dunklen Haut liegen, kam die ganze Ernüchterung eines fahlen Morgens über sie. Dann badete sie sich, als müsse sie etwas Ekliges an sich abwaschen, und betäubte ihre Gedanken dann wieder durch neue, wildere Zärtlichkeiten.
Nun wußte sie, daß sie ein Kind bekam. Es war der dritte Monat. Vorher hatte sie alles, was für sie erreichbar war, versucht, das Schicksal abzuwenden. Sie hatte glühend heißen Rotwein getrunken und dann ein Sitzbad genommen, sie hatte Tabletten zur Anregung der Hormone genommen, sie hatte an den Tagen der ausbleibenden Menstruation schwere Turnübungen verrichtet, die vor allem den Leib beanspruchten. Nichts war geschehen. Das in ihr wachsende Kind war stärker.
»Ich … ich werde dich nicht heiraten«, sagte sie leise. »Hörst du … ich kann dich nicht heiraten. Frage nicht warum. Ich will nicht mehr.«
Dr. Petschawar nickte. In seine Augen trat ein wehmütiger Zug. »Ich bin dunkel –«, sagte er gedehnt.
»Dummheit. Ich habe dich trotzdem geliebt.«
»Oder deswegen. War anders als sonst –«
»Ich habe mich geirrt. Ich habe mir zu viel zugemutet.« Karin Degen setzte sich und legte die Beine über die Sessellehne, Sandru sah sie mit schrägem Kopf an. Sie trägt einen schwarzen Schlüpfer mit dunkelroten Spitzen, stellte er fest. Wie weiß ihre Haut dagegen aussieht. Die Opposition der Farbe. »Ich kann mich nicht daran gewöhnen, nie Sandru, in Indien zu leben, vielleicht auf einem einsamen Dorf, umgeben von Bauern und heiligen Kühen, Fakiren und Bettlern. Ich habe Angst davor.«
»Indien ist schön. Meine Heimat ist wunderschön«, sagte Dr. Petschawar mit schwermütiger Stimme. »Ich werde gehen auf Dorf und dort heilen. Darum ich ja hier zu lernen. Meine Heimat braucht Ärzte. Gerade auf Land.«
»Ich könnte da nie leben. Und darum können wir auch nicht heiraten. Aber ich bekomme ein Kind von dir … wie stellst du dir das weiter vor?«
»Ich nicht weiß anderes als heiraten.«
»Du bist doch Arzt, Sandru.«
»Ja.« Er sah sie neugierig und verständnislos zugleich an.
»Du kannst mich von dem Kind befreien –«
Sandru Petschawar schwieg. Sein schönes, braunes, ebenmäßiges Gesicht versteinerte. Er verstand, was Karin von ihm wollte, und in diesem Moment riß auch bei ihm eine Kluft auf, die nie zu überbrücken war. Ein Kind ist ein Segen der Götter, hatte er gelernt. Ein Kind ist wie ein Heiligtum. Man betet zu Shiva, daß er Kinder schenke. Einzugreifen in den Gang der Natur, wäre eine Verhöhnung Gottes, die zur ewigen Verdammung führt.
»Nein!« sagte er hart.
Karin legte das Kinn auf ihre angezogenen Knie. Ihre grünlichen Augen funkelten.
»Ich kann das Kind nicht bekommen, verstehst du das nicht? Ich habe dich geliebt, na ja … wir waren vielleicht dumm, zu
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