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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Ansonsten drohte ihnen Zwangsarbeit. Dazu wurden sie bei der Polizei registriert, fotografiert, ihnen wurden die Fingerabdrücke abgenommen, sogar den Kindern und Säuglingen. Als wäre die ganze Rasse von Geburt an schuldig. Es ist wirklich eine Schande, dachte Kraus.
    Für Freksa waren die Polizeiakten über die Zigeuner wohl mehr als hilfreich gewesen, als er seinen zynischen Plan ausgeheckt hatte. Was für eine verzweifelte Taktik, überlegte Kraus, als der Aufzug das Erdgeschoss erreichte. Möglicherweise stellte er damit die Öffentlichkeit einstweilen zufrieden, aber was würde geschehen, wenn weitere Knochen auftauchten?
    Er ließ die anderen vorausgehen und trat dann ins Foyer.
    Aber vielleicht würde es ja keine Knochen mehr geben. Vielleicht waren das die letzten Knochen gewesen. Vielleicht war der wahre Mörder ja froh, dass man irgendjemandem die Schuld in die Schuhe geschoben hatte, und hörte auf, solange er noch auf freiem Fuß war.
    Vielleicht. Wahrscheinlich war das nicht.
    Kraus warf sich sein Jackett über und verließ das Polizeigebäude. Draußen glühte die Nachmittagssonne auf dem großen gläsernen Globus auf dem Dach des Kaufhauses Tietz und schickte ihre orangefarbenen Strahlen über den Alexanderplatz. Kraus atmete tief ein und beobachtete, wie Freksa an einer Ecke darauf wartete, dass das Licht der Verkehrsampel auf Grün sprang. Was mochte er als Nächstes planen? Wollte er einen Prozess gegen diese armen sechs Männer mit gefälschten Beweisen führen? Damit sie alle schuldig gesprochen und ... exekutiert wurden?
    So weit konnte Kraus es unmöglich kommen lassen.
    Aber wie sollte er diesen schrecklichen Schwindel aufdecken? Er ging langsam zu der Ecke, an der Freksa stand. Die Zeitungen würden sich natürlich mit Vergnügen darauf stürzen, und Kraus hatte genug Verbindungen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Aber Freksa und Horthstaler würden genau wissen, wer die Geschichte hatte durchsickern lassen. Und das konnte er sich nicht leisten. Noch nicht. Er brauchte mehr Munition. Alles, was er bis jetzt hatte, war graue Theorie. Wenn der echte Kinderfresser glaubte, er wäre vom Haken, wurde er vielleicht nachlässig. Machte einen Fehler. Also mussten diese armen Zigeuner einstweilen nur als ...
    Er blieb stehen. Freksa stand immer noch an der Ecke und wurde gerade von einem höchst merkwürdigen Jungen angesprochen, der halb Mann und halb Mädchen zu sein schien. Er trug einen Poncho und eine Kappe mit Federn, in einem Ohr baumelte ein großer, goldener Ohrring, und er hatte mehr Make-up aufgelegt als eine Straßendirne.
    »Bitte, Herr Kriminalsekretär«, der Junge bettelte förmlich, »es hat selbst jetzt noch nicht aufgehört.«
    Freksa wirkte vollkommen angewidert, als hätte der Junge Lepra. »Bei Gott, wenn ich dich hier noch einmal sehe!«, rief er über die Schulter zurück, als das Licht umsprang und er über die Dirksenstraße stürmte, »buchte ich dich wegen Landstreicherei ein!«
    Der Junge blieb einfach stehen.
    Kraus wurde klar, dass er ihn bereits einmal gesehen hatte, wenn auch nicht an dieser Straßenecke, sondern drüben, vor dem Kaufhaus Tietz. Dieses Halstuch ... und die gefiederte Kappe. War er nicht die »Freundin« des Häuptlings der Roten Apachen?
    Man konnte nicht häufiger über den Alexanderplatz gehen, ohne auf die Banden der Wilden Jungs zu stoßen, heimatlose Jugendliche, die ihre Reviere an verschiedenen Häuserblocks hatten. Sie führten Klienten zu illegalen Einrichtungen, veranstalteten verbotene Hütchenspiele, betätigten sich als Taschendiebe und tanzten für ihr Abendessen – wenn man so wollte. Von all diesen Banden waren die Roten Apachen wahrscheinlich die auffälligsten. Sie drückten sich am Fuß der Berolina herum, der großen Kupferstatue vor dem Warenhaus Tietz. Sie waren sehr auffällig gekleidet und ärgerten die Passanten mit ihren Mätzchen und schrillen Schreien. Es war nahezu unmöglich, den gut aussehenden »Häuptling« oder seinen hageren Partner zu übersehen. Die beiden waren immer die lautesten. Aber worüber wollte dieser Junge so unbedingt mit Freksa reden?
    Kraus beschloss, dem Burschen nachzugehen. Aber als er sich dem Jungen näherte, bemerkte der ihn. Da er nicht wusste, wer Kraus war, rannte er einfach davon.
    »He, warte!«, rief Kraus ihm nach. Aber es war schon zu spät. In nicht mal einer Sekunde war der Junge schon einen halben Block weit entfernt. Kraus musste sich entscheiden, was er tun wollte. Er hatte es

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