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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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gefiederten Buschmütze auf Kraus zuschlenderte.
    »Achten Sie nicht auf die.« Kais Kreole funkelte, während sie zu einem belebten Bereich in der Nähe des Geschäftes gingen, damit niemand sie belauschen konnte. »Schön, Sie wiederzusehen, Herr Kriminalsekretär.«
    »Du hast mir gesagt, die Wilden Jungs in Neukölln würden über eine Frau spekulieren?«
    Der Junge riss seine geschminkten Augen weit auf. »Sie meinen, es gibt sie wirklich ... diese Hirtin?«
    »Ich muss mit diesen Jungen reden. Kannst du das arrangieren?«
    »Ich könnte Sie sofort hinbringen.«
    Die Schwarzen Ritter waren die größte Bande der Wilden Jungs im Arbeiterviertel von Neukölln und hielten Hof in einem Untergeschoss in der Nähe des Hermannplatzes, direkt gegenüber dem gigantischen neuen Kaufhaus Karstadt. Im Unterschied zu Kais Bande, die zusammenhielt, um zu überleben, waren diese Jungs hier ein hartgesottener Haufen aus Taschenund Ladendieben; es waren Jungen, die Mädchen mochten und zu Männern heranwuchsen, die eine Verbrecherkarriere vor sich hatten. Sie waren eine Art Vorschule für den Ringverein, eine Bande erwachsener Krimineller, die regelmäßig Nachschub aus den Reihen der Ritter rekrutierte. Einige dieser Gangster in spe überwanden jedoch ihre Aversion gegen die Polizei, als sie erfuhren, dass ein Kriminalbeamter gekommen war, um sich die Geschichten über die Hirtin anzuhören.
    In dem verrauchten Untergeschoss gab es nur Stehplätze. Die wenigen Mädchen, die anwesend waren, wirkten noch abgebrühter als die Jungs. Der Anführer, ein pickelgesichtiger Veteran von siebzehn Jahren, der sich Friedrich der Große nannte, saß in der Mitte einer durchgesessenen Biedermeiercouch, in jedem Arm ein vollbusiges Mädchen. Er begann das Gespräch mit einer ausgedehnten Tirade gegen die Polizei, die sich nicht dafür interessierte, ob sie lebten oder starben.
    »Seit Anfang des Jahres sind acht unserer Jungs hier aus der Gegend verschwunden, alle unter vierzehn. Zwei weitere erst letzte Woche, nachdem die angeblichen Verbrecher eingesperrt worden sind. Wie oft wir auch versucht haben, mit euch Polizisten zu reden, keiner hört uns zu. Als würden wir gar nicht existieren.«
    »Ja!« Die anderen Jungs schrien durcheinander. »Kein Wunder, dass wir zu Verbrechern werden!«
    »Ich bin hergekommen«, versicherte Kraus ihnen, »um all das aufzudecken.«
    Er hätte genauso gut eine Granate werfen können, so wuchtig war die Explosion aus Wut und Furcht. Alle redeten auf einmal.
    »Sie lockt mit Geld!«
    »Sie hat ein Messer!«
    »Sie arbeitet mit einem Mann zusammen!«
    »Sie arbeitet allein!«
    »Hat irgendjemand sie tatsächlich gesehen?« Kraus versuchte, Ordnung in die ganze Angelegenheit zu bringen.
    »Sie ist groß und hat kurzes rotes Haar.«
    »Sie ist klein und hat langes rotes Haar.«
    Alle waren sich zwar sicher, dass die Frau rothaarig war, aber keine einzige Menschenseele hatte sie gesehen. Die Jungen verschwanden, wenn sie entweder allein oder zu zweit waren. Wohin die Frau sie jedoch schaffte und wie sie das machte, oder woher eigentlich der Name Hirtin kam, wusste keiner.
    Wer auch immer sie ist, dachte Kraus, sie ist auf jeden Fall äußerst geschickt.
    »Von jetzt an«, wies er die Jungen an, »solltet ihr nur in Gruppen von drei oder vier herumlaufen. Verbreitet das unter den Wilden Jungs. Haltet die Augen auf. Sollte jemand diese Hirtin wirklich einmal sehen, will ich das erfahren. Und zwar sofort.«
    Damit ging er ein großes Risiko ein, das war ihm klar. Er wollte nicht an die Folgen denken, wenn der Kommissar erfuhr, dass er sich erneut in Freksas Fall einmischte. Und schon gar nicht wollte er sich ausmalen, was Vicki mit ihm machen würde, wenn sie es herausfand. Auf jeden Fall würden sich die Wilden Jungs in ganz Berlin jetzt zu ihrem eigenen Schutz organisieren. Und nach der Hirtin Ausschau halten. Ebenso wie die Hohepriesterin und ihre Leibwächterin Brigitta. Irgendwann würde jemand sie sehen. Hoffte Kraus jedenfalls. In der Zwischenzeit setzte Kraus seine Bewachung des illegalen Marktes fort und saß wartend in seinem kleinen schwarzen Opel. Wenn die verschwundenen Jungen wirklich als Füllmaterial in Wurst landeten, musste es möglich sein, die Spur bis zu der Stelle zurückzuverfolgen, wo das Fleisch zerteilt und zermahlen wurde. Es musste ein wahrhaft gottverlassener Ort sein.
    Auf den Hochgleisen lief die elektrische S-Bahn in den Bahnhof Landsberger Allee ein. Sie gehörte zu dem Ring aus

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