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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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beiden der Stärkere ist … Ich war nur euer Einsatz, euer Schlachtfeld. Eure verfluchte Rivalität, euer Fernduell – und Marianne mittendrin. Wie eine Trophäe. Unglaublich! Dein bester Freund. Dein Alter Ego, dein Bruder … Ihr wart unzertrennlich, und die ganze Zeit hatte er nur eines im Kopf: dir zu nehmen, was dir auf der Welt am meisten bedeutete.“
    Sein Kopf glühte, er wäre am liebsten davongelaufen, um nichts mehr hören zu müssen. Ihm war plötzlich übel.
    „Das ist typisch Francis“, fuhr sie fort, „brillant, witzig, aber im Grunde voller Groll und Neid. Er mag sich selber nicht. Nur eines gefällt ihm: andere zu demütigen, sie Staub fressen zu lassen. Dein bester Freund … Weißt du, was er mir einmal gesagt hat? Dass ich etwas Besseres verdient hätte als dich … Wusstest du, das er dich um dein Schreibtalent beneidete? Francis Van Acker hat kein einziges wirkliches Talent – außer dem, andere zu manipulieren.“
    Er widerstand der Versuchung, ihr den Mund zuzuhalten.
    „Und dann kam Mathieu. Bokha, wie ihr ihn nanntet … Oh, er war nicht so brillant wie ihr beide. Nein. Aber er stand mit beiden Beinen auf dem Boden. Er war solide und zuverlässig, ein glasklarer Stratege und gewitzter, als ihr ihn mit euren aufgeblasenen Egos eingeschätzt habt. Vor allem war da diese Kraft in ihm … Auch Güte. Mathieu war die Kraft, die Geduld und die Güte, während du die Wut warst und Francis die Falschheit. Ich habe Mathieu geliebt. Wie ich euch beide geliebt habe. Nicht mit der gleichen verzehrenden Leidenschaft. Nicht mit der gleichen Glut … aber vielleicht tiefer – etwas, was weder du noch Francis jemals verstehen könnt. Und heute ist da Hugo. Er ist alles, was mir bleibt, Martin. Nimm ihn mir nicht weg.“
    Servaz spürte, wie ihn die Müdigkeit überkam. Die ganze prickelnde Aufregung dieser Nacht war weg. Die ganze Freude, die Leichtigkeit war schal geworden wie abgestandener Champagner.
    „Kennst du Paul Lacaze?“, fragte er, um das Thema zu wechseln.
    Sie zögerte einen Moment.
    „Was hat Paul mit der Sache zu tun?“
    Er fragte sich, was er ihr sagen konnte. Jedenfalls nicht, was er herausgefunden hatte.
    „Du kennst doch jeden in Marsac. Was weißt du über ihn?“
    Sie sah ihn im Mondschein prüfend an. Ihr war klargeworden, dass es jetzt um die Ermittlungen ging – also um Hugo.
    „Extrem ehrgeizig. Intelligent. Provokant. Eine vorgezeichnete politische Zukunft auf nationaler Ebene. Seine Frau hat Krebs.“
    Wieder sah sie ihn durchdringend an.
    „Das weißt du doch alles schon“, sagte sie schließlich. „Warum interessierst du dich für ihn?“
    „Tut mir leid, dazu kann ich im Moment nichts sagen. Mich interessiert nicht, was alles wissen, sondern was du weißt – und die anderen nicht.“
    „Wieso sollte ich mehr wissen als die anderen?“
    „Weil ich dadurch möglicherweise deinen Sohn entlasten könnte.“
     
    Sie hatte sich das Laken über den Kopf gezogen, konnte aber nicht schlafen. Sie war zu aufgewühlt. Immer wieder musste Margot an die rätselhafte Unterhaltung denken, die Elias und sie im Irrgarten belauscht hatten. Sie versuchte sich jedes Wort in Erinnerung zu rufen, um es zu entschlüsseln. Was hatte Virginie gemeint, als sie erklärte, sie würden, falls nötig, ihrem Vater auf die Sprünge helfen? Dieser Satz enthielt eine unausgesprochene Drohung, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Sie hatte klar und deutlich eine Gefahr gewittert. Sie hatte gedacht, sie würde sie kennen, sie hatte gedacht, sie wären bloß die vier gescheitesten jungen Leute der Schule: Hugo, David, Virginie und Sarah … Aber heute Nacht hatte sie etwas herausgefunden, was sie noch immer verstörte. Ein Schatten, ein Gefühl. Vage, aber eindringlich. Es war da gewesen, unausgesprochen, aber spürbar inmitten all ihrer Worte. Und dann war da dieser Satz von David:
     
    Wir müssen umgehend den Kreis einberufen.
     
    Den Kreis … Welchen Kreis? … Schon das Wort selbst war geheimnisvoll, rätselhaft. Sie schrieb eine SMS an Elias:
     
    [Sie haben vom ‚Kreis‘ geredet. Was soll das sein?]
    Sie fragte sich, ob er bereits schlief oder noch antworten würde, bis ihr Smartphone den Harfenton ausstieß. Sie hielt das Display unter dem Laken ganz nah an ihr Gesicht, und obwohl es erwartet hatte, erschreckte sie das Signal.
     
    [Keine Ahnung. Wichtig?]
     
    [Glaub schon.]
     
    Während sie wieder auf die Antwort wartete, lugte sie vorsichtig unter dem Laken

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