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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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sind amtlich zertifiziert.“ Die Hälfte dieser Informationen war falsch, aber Zlatan Jovanovic war sich nicht sicher, ob sich auch nur ein einziger Besucher jemals die Mühe gemacht hatte, den Aushang bis zu Ende zu lesen. Und das meiste wäre amtlich mit Sicherheit niemals genehmigt worden.
    Die Person, mit der er einen Termin hatte, erwartete ihn bereits auf dem oberen Treppenabsatz, und Zlatan reichte ihr noch keuchend die Hand. Er steckte seinen Schlüssel ins Schloss und stieß mit der Schulter leicht gegen die Tür, um sie zu öffnen. In der winzigen Wohnung, die ihm als Büro diente, muffte es nach kaltem Zigarettenrauch und Staub. Zlatan ging geradewegs ins Hinterzimmer, das genauso fahl und grau war wie er.
    „Wo sind denn deine Teams, Zlatan?“, fragte die Stimme hinter ihm in scherzhaftem Ton. „Verstecken sie sich etwa in der Besenkammer?“
    Jovanovic ging nicht darauf ein. Bislang hatte ihn der Detektiv immer zufriedengestellt, mit oder ohne Teams, und nur das zählte schließlich. Im Übrigen hatte er einen Mitarbeiter, auch wenn der nie einen Fuß ins Büro setzte.
    Er zündete sich eine filterlose Zigarette an, ohne sein Gegenüber weiter zu beachten, schob einen Stapel Papiere neben dem Rechner zur Seite und fand schließlich, was er suchte: einen kleinen Spiralblock.
    Dieses Werkzeug hätte seinem einzigen Mitarbeiter nur ein müdes Lächeln entlockt, denn der benutzte weder Block noch Kugelschreiber und arbeitete ausschließlich zu Hause, ein Informatikingenieur, den Zlatan vor einem Jahr angeworben hatte. Die rechtlich „grenzwertigsten“, aber auch lukrativsten Aktivitäten der Detektei liefen mittlerweile in diesem Sektor: massiver Diebstahl elektronischer Daten, Eindringen in private Mailboxen, Computer-Hacking, Ausspionieren von Handys, Auslesen des Browserverlaufs … In diesem Bereich machte die Detektei inzwischen am meisten Umsatz. Zlatan hatte schnell begriffen, dass Unternehmen weitaus finanzkräftiger sind als Privatpersonen und dass er diese Aufträge an jemanden weitergeben musste, der in diesen Dingen kompetenter war als er. Er zog an seiner Zigarette, während er aufmerksam zuhörte, als sein Gegenüber ihm darlegte, worum es ging. Diesmal war es mehr als nur ein Flirt mit der Illegalität. Zlatan stieß einen langen Pfiff aus.
    „Ich habe vielleicht den Mann, den Sie brauchen“, sagte er schließlich, „aber ich weiß nicht, ob er es machen wird. Sie müssen … sehr überzeugend auftreten.“
    „Geld ist kein Problem. Ich wünsche allerdings keinerlei schriftliche Aufzeichnungen.“
    „Das versteht sich von selbst. Sämtliche Informationen, die Sie brauchen, werden auf einem USB-Stick gespeichert, und es wird kein Kopie erstellt. Ihr Name wird nirgends erwähnt. Keine Kostenaufstellung, keine Rechnungen, keine Notizen, keine Spuren …“
    „Spuren bleiben immer. Computer neigen bedauerlicherweise dazu, welche zu hinterlassen.“
    Jovanovic nahm ein Taschentuch aus seiner Tasche und wischte sich den Schweiß ab, der ihm den Nacken hinunterlief. Gegen die bereits drückende Hitze in seinem Büro war keine Klimaanlage im Einsatz.
    „Der Computer in diesem Büro dient nur zur Bearbeitung des üblichen Papierkrams und zu nichts anderem“, sagte er. „Er ist so jungfräulich wie ein kleiner Engelsarsch. Alle vertraulichen Aufträge werden woanders bearbeitet, und niemand außer mir weiß wo. Und mein Mitarbeiter ist bereit, auf den kleinsten Wink von mir alles zu vernichten.“
    Den Klienten schien die Antwort zufriedenzustellen.
     
    Servaz erwachte von einem Sonnenstrahl. Er schlug die Augen auf und streckte sich. Betrachtete das Zimmer im Morgenlicht. Die schokoladenfarbenen Wände, die hellen Möbel und die blassgrauen schweren Vorhänge. Überall Lampen und Nippfiguren. Zwei Sekunden der völligen Desorientierung.
    Marianne betrat das Zimmer, sie trug ihren kurzen Pyjama aus türkisfarbenem Satin und hielt ein Tablett in der Hand. Servaz gähnte. Er hatte einen Mordskohldampf. Er griff nach einem Butterbrot und tunkte es in seine Schale Kaffee, dann trank er einen kräftigen Schluck Orangensaft. Sie sah ihm schweigend beim Essen zu, ein kleines Lächeln auf den Lippen. Als er fertig war, stellte er das Tablett auf den flauschigen sandfarbenen Bettvorleger.
    „Hast du eine Zigarette?“, sagte er.
    Er hatte seine Schachtel in seiner Kleidung gelassen. Sie langte nach ihrem Päckchen auf dem Nachttisch, reichte ihm eine und steckte sie an. Dann nahm sie seine freie

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