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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Hand in ihre. Vom Schlaf waren Mariannes Hände weich und warm.
    „Hast du darüber nachgedacht, was letzte Nacht passiert ist?“
    „Und du?“
    „Nein, aber ich hätte Lust auf mehr …“
    Er sagte nichts. Er wusste nicht, worauf er Lust hatte.
    „Du bist angespannt“, sagte sie und legte ihm eine Hand auf die Brust. „Was ist los? Ist es meinetwegen? Wegen dem, was ich dir über dich und über Francis gesagt habe?“
    „Nein?“
    „Was ist es dann?“
    Er zögerte. Sollte er es ihr sagen? Warum nicht; er erzählte ihr von der Mail. Und auch von dem Bild der Kamera auf der Autobahn. Er sprach von einem Verbrecher, der ausgebrochen war, einem Mann, der versuchte, Kontakt mit ihm aufzunehmen.
    „Irgendetwas ist da“, sagte er. „Ich weiß nicht genau was … Ich habe das Gefühl, ich werde beobachtet. Das Gefühl, jemand folgt mir auf Schritt und Tritt, kennt jede meiner Bewegungen, nimmt sie sogar vorweg … als ob … Ich weiß, das hört sich absurd an … als würde er meine Gedanken kennen.“
    „Hört sich wirklich absurd an.“
    „Es ist, wie wenn du gegen jemanden Schach spielst, der dir weit überlegen ist, und du weißt, egal, was du tust, er wird es voraussehen … als ob … als ob er in deinem Kopf säße.“
    „Hat das etwas mit dem Mord an Claire zu tun?“
    Wieder dachte er an die CD, die er in der Stereoanlage gefunden hatte.
    „Ich weiß nicht … Dieser Mann ist vor anderthalb Jahren aus einer psychiatrischen Klinik ausgebrochen.“
    „Dieser Schweizer, über den die Zeitungen berichtet haben?“
    „Ja.“
    „Glaubst du, dass er wieder da ist?“
    „Vielleicht … Ich weiß nicht, was ich denken soll. Oder es liegt an mir … Du hast Recht, ich bin wohl paranoid geworden. Trotzdem spür ich etwas … Einen Plan, eine Intrige, eine Strategie, die mich irgendwie betrifft. Als wäre ich seine Marionette. Gezielte Provokationen seinerseits, eine Mail hier, ein kleines Zeichen da, und schon reagiere ich in einer bestimmten Weise.“
    „Hast du mich deshalb neulich gefragt, ob ich jemanden gesehen habe, der ums Haus herumschleicht?“
    Er nickte. Er sah das Funkeln in Mariannes Augen. Er wusste, was sie dachte: Dass seine alten Dämonen wieder da waren.
    „Du solltest aufpassen, Martin.“
    „Glaubst du, ich verliere den Verstand?“, fragte er.
    „Heute Nacht ist etwas Merkwürdiges passiert …“
    „Merkwürdig, wie meinst du das?“
    An der senkrechten Falte zwischen ihren Brauen sah er, wie sie sich konzentrierte.
    „Es war … nachdem wir uns zum zweiten Mal geliebt hatten. Du warst eingeschlafen, und ich konnte nach unserem Gespräch nicht schlafen. Es war vielleicht so gegen drei Uhr. Ich bin aufgestanden, hab die Schachtel Zigaretten genommen und auf dem Balkon eine geraucht.“
    Er hörte schweigend zu.
    „Ich hab einen Schatten gesehen … unten am See. Ich bin mir nicht sicher, aber ich dachte, da versteckt sich jemand hinter den Bäumen im Garten. Er ist am Ufer entlang davongelaufen und im Wald verschwunden. Im ersten Augenblick dachte ich, es wäre vielleicht ein Tier, ein Hirsch oder ein Wildschwein. Aber jetzt, wo ich es noch einmal überdenke, glaube ich das nicht mehr. Da war wirklich jemand. “
    Er sah sie schweigend an. Da war es wieder, dieses eisige Gefühl, dass die Seiten dieser Geschichte nicht er, sondern ein anderer schrieb, dass er nur eine Figur war und dass sich der Autor da drüben im Dunkeln aufhielt und sich jede Episode ausdachte und ihren Ausgang bestimmte. Zwei voneinander unabhängige Geschichten: die Ermordung von Claire Diemar einerseits und Hirtmanns Rückkehr andererseits. Es sei denn … Er warf die Beine aus dem Bett und stand auf. Griff nach seiner Hose, die über einem Stuhl lag, seinem Slip, und trat dann barfüßig auf den Balkon.
    „Zeig mir die Stelle, wo du letzte Nacht diese Gestalt gesehen hast“, sagte er durch die Fenstertür.
    Auch sie trat in die Sonne hinaus und wies mit dem Finger auf die Stelle am Ufer, wo die der begraste Hang an den Wald grenzte.
    „Da unten.“
    Er ging wieder hinein, streifte sich auf der Treppe ins Erdgeschoss sein Hemd über, überquerte die seeseitige Terrasse und stieg zuerst die Stufen und dann zwischen den Bäumen und Beeten den abschüssigen Garten hinunter. Die Hitze war bereits zu spüren. Die Sonne hatte das Gras getrocknet, und der See glitzerte unter ihren Strahlen wie eine Metallplatte. Er hörte ein Summen. Etwa hundert Meter weit weg verließ ein Boot gerade seinen Anlegesteg,

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