Kindertotenlied: Thriller (German Edition)
die gesamte Ermittlungsarbeit des Teams zunichtemachen!“
Stehlin verstand es, um den heißen Brei herumzureden, er hätte das auch unverblümter sagen können, aber Servaz verstand seine Wut.
„Gut“, sagte der Direktor und bemühte sich sichtlich, seine Fassung wiederzugewinnen. „Was ändert das schon? Wir sind nicht einen Schritt weitergekommen: Nichts beweist, dass diese Buchstaben Hirtmann in den Stamm geritzt hat. Ich kann einfach nicht glauben, dass der Schweizer nur wegen dir zurückgekommen sein soll, dass er seine Zeit damit verbringt, dich zu beschatten und Zeichen für dich zu hinterlassen. Alles das wegen einem schwachsinnigen Musikstück und weil ihr einmal einen Schwatz gehalten habt. Zumal alles das nach dem Mord an Claire Diemar angefangen hat.“
„Nicht nach: mit “, korrigierte ihn Servaz. „Das ändert alles. Es hat mit der CD in der Stereoanlage begonnen … Vergessen wir nicht, dass Claire genau ins Profil von Hirtmanns Opfern passt. “
Wie er es vorhergesehen hatte, zeitigte dieser Satz eine gewisse Wirkung. Alle nahmen sich die Zeit, um die Information zu verdauen.
„Und dann gibt es noch eine weitere Hypothese“, sagte er. „Vielleicht hat Hirtmann die Gegend auch nie verlassen. Während alle Polizeibehörden in Europa und Interpol Züge, Flughäfen und Grenzen überwacht und ihn Tausende von Kilometern weit weg vermutet haben, hat er sich vielleicht ganz in der Nähe versteckt – weil er meinte, gleich um die Ecke würden wir ihn am wenigsten vermuten.“
Er sah ihnen an, dass sein Coup gesessen hatte, dass sie zu zweifeln begannen. Die Stimmung verdüsterte sich; die Erwähnung des Schweizers und indirekt seiner Morde, seiner extremen Gewalttätigkeit vergiftete die Atmosphäre. Er beschloss, den entscheidenden Schlag zu führen.
„Wie dem auch sei, mittlerweile weisen zu viele Elemente in die gleiche Richtung, als dass wir es uns leisten könnten, die Hirtmann-Spur weiterhin zu vernachlässigen. Selbst wenn er es nicht ist, bedeutet es zumindest, dass ihn jemand da draußen nachahmt und auf die eine oder andere Weise etwas mit dem Mord an Claire Diemar zu tun hat – was die Frage aufwirft, ob Hugo auch wirklich der Täter ist. Ich will, dass Samira und Vincent dieser Spur mit vollem Einsatz nachgehen. Sie sollen sich an die Pariser Ermittlungsgruppe wenden, die nach Hirtmann fahndet, und sie sollen sämtliche Informationen zusammentragen, die bestätigen könnten, dass er sich tatsächlich hier in der Gegend aufhält. Oder eben nicht.“
Stehlin nickte ernst. Er sah Servaz besorgt an.
„Sehr gut. Aber es stellt sich noch eine Frage“, sagte er.
Servaz blickte ihn fragend an.
„Die nach deiner Sicherheit … Ob es nun Hirtmann ist oder nicht, dieser Verrückte, der da draußen rumläuft, scheint dir auf dem Fuß zu folgen. Er hält sich offenbar immer in deiner Nähe auf … Und dann war da dieser … Vorfall auf dem Dach der Bank. Verdammt, du wärst beinahe runtergestoßen worden, Martin! Das gefällt mir gar nicht. Der Typ ist regelrecht auf dich fixiert – und einmal hat er dich schon angegriffen.“
„Wenn er mir etwas hätte antun wollen, hätte er es leicht gestern Nacht tun können“, wandte der Polizist ein.
„Wie das?“
„Die Fenstertür des Schlafzimmers geht auf den Balkon, und sie stand offen. Vom Balkon zum Garten sind es kaum drei Meter, und gleich daneben sind eine Dachrinne und ein Spalier mit wildem Wein. Er hätte leicht da hochklettern können. Und wir … genauer gesagt ich … habe geschlafen.“
Jetzt sahen ihn alle an. Jetzt war es heraus: Er hatte in einem fremden Bett geschlafen, ganz offensichtlich mit der Hausherrin, das heißt einer Person, die von den laufenden Ermittlungen direkt betroffen war. Und damit konnten diese jetzt von jedem auch nur einigermaßen fähigen Juristen zerpflückt werden, mit dem Argument eines offensichtlichen Interessenskonflikts beim leitenden Ermittler. Stehlin ließ sich in seinen Sessel fallen, sah zur Decke auf und stieß einen sehr langen Seufzer aus.
„Einmal angenommen, dass es sich tatsächlich um Hirtmann handelt, glaube ich nicht, dass er eine Gefahr für mich darstellt“, beeilte sich Servaz hinzuzufügen. „Er sucht sich immer die gleichen Opfer aus: junge Frauen – alle mehr oder minder mit denselben körperlichen Merkmalen. Die einzigen Männer, die er unseres Wissens getötet hat, waren der Liebhaber seiner Frau, und in diesem Fall handelte es sich um eine Affekttat, und ein
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